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Kommunale MVZ: Mögliche Rechtsformen im Überblick

Sicherheitsleistung kommunales MVZ

Welche Rechtsformen stehen Gemeinden und Städten bei der Gründung von Medizinischen Versorgungszentren in kommunaler Trägerschaft zur Verfügung?

Alle vier Stunden gibt es in Deutschland statistisch betrachtet einen niedergelassenenArzt weniger. Die Zahl der unbesetzten Hausarztsitze liegt derzeit bundesweit bei rd. 4.000 und wird bis zum Jahr 2030 auf deutlich über 11.000 angewachsen sein. 

In der Bundesrepublik findet derzeit – noch weitgehend unbemerkt – eine Transformation des ambulanten Sektors statt. Die beruflichen Anforderungen der nachrückenden Ärztegeneration führen zu einer Abkehr von der freiberuflichen ärztlichen Tätigkeit. Das Einzelkämpferdasein schreckt immer mehr Mediziner ab. Im Fokus steht vermehrt die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit im Angestelltenverhältnis, Teilzeitmodelle nehmen hierbei einen immer größer werdenden Stellenwert ein. Die Folge ist ein doppelter Sogeffekt der Städte. Neben einem generell höheren Anteil an Privatpatienten und damit einem potentiell größeren Honorarvolumen, bieten häufig diese Ballungsräume die gewünschten Anstellungs- bzw. Teilzeitmodelle. ‚Auf dem Lande‘ klaffen hingegen Angebot und Nachfrage weit auseinander, die Einzelpraxis ist hier mit rund 90 % die häufigste Berufsausübungsform. 

MVZ als Lösung zur Bewältigung des Landarztmangels

Bis in die 1990er Jahre hinein war die Einzelpraxis die absolut dominierende Praxisform. Die Zahl der Gemeinschaftspraxen stieg nur langsam. Mit Beginn des neuen Jahrtausends wurde die Idee einer zentrenbasierten und fachübergreifenden ambulanten Versorgung in der Bundesrepublik aufgegriffen. Bis zur Wiedervereinigung waren in der DDR sogenannte Polikliniken die überwiegende Organisationsform von niedergelassenen Fachärzten. 2004 hielt diese Organisationsform schließlich in Form der Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) Einzug in das Sozialgesetzbuch. Mittlerweile sind sie fester Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung. 2020 zählen wir über 2.800 MVZ, in denen mehr als 17.000 Ärzte ihre Patienten versorgen.

Seit 2015 können auch Kommune, d.h. Gemeinden, Städte und Landkreise Medizinische Versorgungszentren gründen Zu den bereits über 20 existierenden kommunalen Medizinischen Versorgungszentren (kMVZ) der hausärztlichen Versorgung werden in Bälde weitere in zahlreichen Bundesländern hinzukommen. Als Hinweis sei erwähnt, dass hierzu nicht die fachärztlichen Medizinischen Versorgungszentren von Landkreiskliniken, die meistens als „Einweiser“ zwangsweise „rote“ Zahlen schreiben, zählen. (Lesen Sie auch: Erstes kommunales MVZ nun auch in Nordrhein-Westfalen eröffnet)

Mögliche Rechtsformen von kMVZ im Überblick

Im GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VSG) hat der Gesetzgeber 2015 definiert, in welchen Rechtsformen Kommunen MVZ in kommunaler Trägerschaft gründen dürfen. So sind öffentlich-rechtliche Rechtsformen i.S.d. § 95 Abs. 1a Satz 2 SGB V eine zulässige Rechtsform für ein MVZ. Damit sind Eigen- und Regiebetriebe sowie Anstalten des öffentlichen Rechts / Körperschaften des öffentlichen Rechts als Rechtsformen für ein kommunales MVZ zulässig. Als privatrechtliche Gesellschaftsformen hat der Gesetzgeber die Rechtsformen (g)GmbH und Genossenschaft (e.G.) zugelassen. 

Firmieren Kommunen als Gründer und Träger von MVZ, bewegen sie sich in zwei Rechtgebieten Kommunalrecht und Sozialgesetzgebung. Dabei steht das kommunale Wirtschaftsrecht der Gründung und der Trägerschaft eines MVZ durch Kommunen nicht grundsätzlich im Wege. Die KVen verlangen eine selbstschuldnerische Bürgschaft von ihren freiberuflichen Vertragspartnern. Dies müssen auch die Kommunen als Vertragspartner der KV erfüllen. Dabei stoßen sie auf die Eingrenzungen des Kommunalrechts, welches selbstschuldnerische Bürgschaften der Kommunen nicht vorsieht. 

Im Falle eines Eigen- oder Regiebetriebs ist dies aus Sicht der KV kein Problem. Die Kommune haftet. Auch eine MVZ-Trägerschaft in Form einer Anstalt oder Körperschaft des öffentlichen Rechts stellt hier kein Problem dar. Problematisch waren und sind dagegen die privatwirtschaftlichen Varianten, hier vor allem die GmbH. Durch entsprechende Unternehmensrisikoversicherungen eröffnet sich hier jedoch eine – von allen Seiten akzeptierte – Lösung.

Nun greift die gewählte Rechtsform nachhaltig in die Verantwortung der Kommunen ein. Da Eigen- und Regiebetrieben keine eigenen Rechtspersönlichkeiten sind, sind die Verantwortlichen in der Kommune voll umfänglich für das Unternehmen MVZ verantwortlich. Aufgrund der komplexen Vorschriften- und Abwicklungsprozeduren ist dies nicht zu empfehlen. 

Die Form des kommunalen Eigenbetriebs erscheint im Zusammenhang mit einem MVZ deshalb problematisch. Denn die rechtliche Unselbstständigkeit des Eigenbetriebs würde auch für MVZ rechtliche Unselbstständigkeit bedeuten und darüber hinaus keine gleichrangige Beteiligung privater Leistungserbringer erlauben. Damit ist keine Übertragung der Einrichtung auf private Leistungserbringer möglich. Folglich wäre eineIntegration von Ärzten in ein solches MVZ erheblich erschwert, wenn nicht gar ausgeschlossen. Zudem haftet die Kommune mit dieser Trägerform vollständig für eventuelle Regresse.

Die Rechtsformen der Anstalt des öffentlichen Rechts und der Körperschaft des öffentlichen Rechts sind in ihrer Bedeutung für die Kommune sehr unterschiedlich. Beide bündeln sachliche Mittel (z.B. öffentliches Grundstück & Gebäude, Einrichtung und Fahrzeuge) und Personal in einer rechtlich selbständigen Organisationseinheit und unterliegt dem öffentlichen Recht. Dabei hat die Anstalt des öffentlichen Rechts Nutzer und die Körperschaft des öffentlichen Rechts Mitglieder. AöR können somit vollrechtsfähig, teilrechtsfähig oder nicht-rechtsfähig sein. Körperschaften des öffentlichen Rechts sind immer rechtsfähig und können aufgrund ihrer Rechtsetzungshoheit Satzungen erlassen und Beiträge von ihren Mitgliedern erheben. (Lesen Sie auch: Ärztemangel – Der „Ball“ bleibt bei den Kommunen)

Langfristig empfehlenswert für Kommunen ist die Rechtsformen der (g)GmbH. Hier beschränkt sich der Beitrag der Kommunen auf die Gründungsinitiative und im laufenden Betrieb auf das betriebswirtschaftliche Controlling und die strategische Verantwortung für die Entwicklung des MVZ. Gerade bei einer möglichen Beteiligung Dritter ist die o.g. Rechtsform zu bevorzugen.

Weitere informative Beiträge zu den Themen moderne medizinische Versorgung und Bewältigung des Ärztemangels finden Sie in unserem Magazin Impulse