Zwölf Monate nach dem Auftaktinterview treffen wir Josef Suermann erneut. Im Fokus: der Weg des kommunalen MVZ Marienmünster. Wir lassen die Inbetriebnahme Revue passieren, ordnen die Erfahrungen des ersten Jahres ein und sprechen über den anstehenden Meilenstein – die Grundsteinlegung des neuen MVZ-Gebäudes. (Das damalige Interview können Sie der Ausgabe 2/2024 entnehmen).

Josef Suermann, scheidender Bürgermeister der Stadt Marienmünster (Kreis Höxter), im Gespräch über Aufbau und Perspektiven des MVZ.
Das Interview für Impulse führte Luise Viktoria Ruß.
Impulse: Herr Suermann, im ersten Gespräch vor rund eineinhalb Jahren haben Sie über Motivation und Herausforderungen bei der Gründung des kommunalen MVZ berichtet. Wenn Sie heute zurückblicken: Wie hat sich Ihre Sicht verändert – und welche Entwicklungen haben Sie besonders geprägt?
Suermann: Nach der Gründung der MVZ-Marienmünster GmbH konnten wir unser Team deutlich erweitern: Zwei weitere Hausärzte und ein Neurologe sind hinzugekommen. Außerdem hat zum 1. September 2025 eine Ärztin ihre Weiterbildung zur Fachärztin in unserem MVZ begonnen. Damit haben wir unser Ziel, die hausärztliche Versorgung vor Ort zu sichern, mehr als erfüllt.
Bemerkenswert ist auch, dass unsere Initiative in der Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit fand. Viele Nachbarstädte und -kreise haben daraufhin ihre eigene Versorgungssituation kritisch geprüft. Denn der drohende Hausärztemangel betrifft längst nicht nur Marienmünster. Entsprechend hoch ist die Nachfrage nach unseren Erfahrungen bei Amtskollegen.
Impulse: Am 26. August 2025 fand der Spatenstich für den MVZ-Neubau statt. Welche Bedeutung hat dieser Schritt – und welche Stimmung nehmen Sie in Verwaltung, Politik und Bürgerschaft wahr?
Suermann: Ich habe es bei meinem Pressestatement so formuliert: „Wir legen heute den Grundstein für ein Stück Zukunft – für eine moderne, wohnortnahe und verlässliche medizinische Betreuung.“ Genau so wird das Projekt auch in der Bürgerschaft wahrgenommen. Die ärztliche Leiterin unseres MVZ, Frau Krahn, berichtet von großer Dankbarkeit und Zustimmung seitens der Patientinnen und Patienten – und auch ich nehme dies in persönlichen Gesprächen so wahr. Der Stadtrat hat alle Beschlüsse zum MVZ einstimmig gefasst und steht weiterhin voll hinter dem Projekt.
Was ich aber betonen möchte: Für eine kleine Kommune mit knapp 5.000 Einwohnern ist der Betrieb eines MVZ und der Bau eines eigenen Gebäudes eine enorme Herausforderung – auch finanziell. Dass es dafür weder vom Land noch vom Bund eine gezielte Unterstützung gibt, ist enttäuschend. Fördergelder gibt es heute für vieles – nur nicht für eine der wichtigsten Aufgaben überhaupt: die Sicherung der medizinischen Grundversorgung.

Impulse: Zum 1. Januar 2025 hat Herr Dr. Lunemann die Leitung an Frau Olga Krahn übergeben. Gleichzeitig wurde mit Unterstützung der KVWL eine Weiterbildungsstelle für Allgemeinmedizin eingerichtet. Was bedeutet das für die Zukunftsfähigkeit des MVZ?
Suermann: Ich bin Frau Krahn sehr dankbar, dass sie die Weiterbildungsqualifikation erworben hat. Dadurch konnten wir eine junge Ärztin gewinnen, die bei uns ihre Facharztausbildung absolviert. Wir hoffen natürlich, dass sie auch nach Abschluss ihrer Weiterbildung bei uns bleibt – zumal in den nächsten Jahren eine Kollegin in Ruhestand gehen wird. Die Chancen stehen gut: Die junge Ärztin hat mit ihrer Familie direkt im Neubaugebiet neben dem MVZ gebaut. Ausschlaggebend waren für sie nicht nur die Weiterbildungsmöglichkeiten, sondern auch das attraktive Baugebiet und die sehr gute frühkindliche Betreuung in unserer Stadt.

Spatenstich des MVZ-Neubau am 26. August 2025.
Vorne im Bild BGM Josef Suermann und Gabriele
Dostal (Geschäftsführerin des MVZ)
Impulse: Mit dem Spatenstich beginnt die nächste Phase. Welche Schwerpunkte setzt die Kommune in dieser Zeit – und wie sichern Sie die Unterstützung?
Suermann: Wir möchten das Umfeld des MVZ aufwerten und haben deshalb im Stadtrat ein Integriertes Stadtentwicklungskonzept (ISEK) beschlossen. Damit können wir über die Städtebauförderung Maßnahmen mitfinanzieren, etwa neue Parkplätze, die Sanierung einer Nachbarstraße, den Ausbau eines leerstehenden Gasthauses zum Bürgerzentrum, den Abriss einer Schrottimmobilie und die Aufwertung der Ortsdurchfahrt. Diese Schritte sollen die Attraktivität der Umgebung erhöhen – für Bürgerinnen und Bürger ebenso wie für medizinisches Personal und Patientinnen und Patienten.
Impulse: Worauf sind Sie als Bürgermeister in den vergangenen 18 Monaten besonders stolz? Und was würden Sie heute anders machen?
Suermann: Ich bin sehr stolz darauf, dass der Stadtrat diesen mutigen Weg mitgetragen hat. Ohne diese Geschlossenheit wäre das Projekt nicht möglich gewesen. Besonders freut mich, dass wir neue Ärztinnen und Ärzte gewinnen konnten und das MVZ auf breite Zustimmung gestoßen ist.
Ein weiterer Erfolg: Für die bisherigen Praxisräume haben wir bereits Nachmieter gefunden – eine Osteopathin und eine Ergotherapeutin. Zusammen mit der Apotheke und der Physiotherapiepraxis entsteht so ein kleines „Gesundheitseck“ für unsere Stadt. Rückblickend fällt mir nichts ein, was ich im Zusammenhang mit dem MVZ anders angehen würde.
Impulse: Das MVZ Marienmünster hat Signalwirkung für andere Gemeinden. Was raten Sie Kommunen ähnlicher Größe?
Suermann: Entscheidend ist, dass etablierte Hausärzte mit einsteigen. Ein MVZ „auf der grünen Wiese“ zu planen, ist weitaus schwieriger und finanziell belastender. Wichtig ist auch, die Ärzteschaft einzubinden und nicht gegen ihren Willen zu handeln. Zudem empfehle ich, frühzeitig Gespräche mit der KV und der Kommunalaufsicht zu führen.
Impulse: Sie treten bei der Kommunalwahl im September nicht mehr an. Wie blicken Sie persönlich auf diesen Einschnitt – und was wünschen Sie sich für das MVZ in Zukunft?
Suermann: Natürlich blicke ich mit gemischten Gefühlen auf meine Pensionierung. Einerseits freue ich mich auf freie Abende, Wochenenden und mehr Zeit für Hobbys und Freunde. Andererseits wird es eine Herausforderung, den Alltag neu zu strukturieren – von 150 auf 0 fällt der Übergang nicht leicht. Für das MVZ wünsche ich mir langfristig stabile Finanzen, ausreichend Personal und zufriedene Patientinnen und Patienten. Wenn wir zumindest eine „schwarze Null“ erzielen und das Versorgungsniveau halten können, wäre das ein großer Erfolg.
Impulse: Herr Suermann, vielen Dank für das Gespräch und die sehr angenehme Zusammenarbeit!