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Über 54 Millionen Arbeitsstunden in Arztpraxen für Bürokratie im Jahr 2018

Bürokratieabbau Arztpraxis

Bürokratieabbau Arztpraxis

Papier statt Patienten – Deutschlands niedergelassene Ärzte und ihre Mitarbeiter verbringen 54 Millionen Stunden mit Bürokratie. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) und die Fachhochschule des Mittelstands (FHM) Bielefeld haben 2013 einen Bürokratieindex für Ärzte und Psychotherapeuten (BIX) entwickelt, um transparent zu machen, wie viel Zeit die Niedergelassenen und ihre Angestellten für Büroarbeit aufwenden. Dabei ist der Bürokratiekostenabbau seit 15 Jahren ein zentrales Forschungsfeld der FHM. So wurde hier u.a. das erste deutschsprachige Methodenhandbuch zum Standardkosten-Modell (Erstes Deutsches Handbuch für das Messen und Reduzieren administrativer Belastungen) veröffentlicht, das 2006 in der Gesetzesbegründung zum Gesetz zur Einsetzung des Nationalen Normenkontrollrates (NKR) als Bezugsstelle herangezogen wurde. Der NKR im Bundeskanzleramt wird seit 2006 geleitet von Staatssekretär a.D. Dr. Johannes Ludewig (Jg. 1945).

Mehr als 395 unterschiedliche Informationspflichten kosten jeden Arzt 60 Arbeitstage pro Jahr

Nun wurde vor Kurzem der 3. Bürokratieindex (BIX) der FHM im Auftrag der KBV vorgelegt. Demnach stiegen die Bürokratielasten von etwa 54 Millionen Nettoarbeitsstunden in 2017 um 0,6 Prozent auf 54,49 Millionen in 2018. Dies entspricht einer Gesamtbelastung von weiterhin 60 Tagen pro Jahr, die allein durch die 395 Informationspflichten, die aus dem Verantwortungsbereich des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), dem Bundesmantelvertrag-Ärzte, den Informationspflichten der Bundesärztekammer sowie aus Vereinbarungen der KBV mit Kostenträgern entstehen. Der Anteil von Verordnungen und Bescheinigungen ist dabei am größten, gefolgt von Informationen an die Kostenträger. Allein für die Bescheinigungen der Arbeitsunfähigkeit (AU) im Krankheitsfall resultiert ein Aufwand von 4,9 Millionen Nettoarbeitsstunden. Zudem wirkt die demographische Entwicklung als Treiber: Dieser folgend, steigen z.B. die „Verordnungen für häusliche Krankenpflege“, die „Verordnungen zur Krankenbeförderung“ oder die „Verordnungen für Heilmittel“, die alle insbesondere bei älteren Patienten anfallen, kontinuierlich an. Das führt zwangsläufig zu einem weiteren Anstieg der Bürokratiebelastung in der vertragsärztlichen Versorgung.

Abbau von Bürokratie brächte zusätzliche (haus)ärztliche Kapazitäten

Aus den für 2018 vorgelegten Daten folgert die KBV, dass es endlich einen zügigen Bürokratieabbau geben müsse. Das verbindliche Abbauziel von 25 Prozent könne erreicht werden. Das entspräche dreizehn Millionen Stunden gewonnener Arbeitszeit pro Jahr für die Praxen. Bezogen auf den ärztlichen Anteil an dieser Arbeitszeit entspräche das rund 4.000 Arztstellen. Ärgerlich sind zudem für viele Arztpraxen, die formlosen Nachfragen bei länger krankgeschrieben Arbeitnehmern von Krankenkassen, im Rahmen von deren Kostenmanagement. Ohne Mitwirkung der Krankenkassen wird sich aber nichts bewegen, so die Einschätzung der KBV. Das derzeit noch diskutierte Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) leistet diesbezüglich leider keine Schützenhilfe, im Gegenteil. (Lesen Sie auch: Kann die neue „Notstandsverordnung“ einen Lösungsbeitrag leisten?)

Allerdings, so die KBV, birgt die zunehmende digitale Übermittlung von Daten große Chancen, die Prozesse effizienter zu gestalten und Arbeitszeiten in den Praxen einzusparen. Ob das allerdings bei z.T. „unterirdisch schlechten“ 174 Praxisverwaltungssystemen (PVS) überhaupt realistisch ist, bleibt abzuwarten. – Insgesamt wirkt sich das Problem der wachsenden Belastung durch Bürokratie nicht nur auf die bestehenden Arztpraxen aus: „Auch die Entscheidung für oder gegen eine Niederlassung junger Ärzte wird dadurch massiv beeinflusst“, so der BIX-Leiter der FHM und Leiter des Nationalen Zentrums für Bürokratiekostenabbau, Prof. Dr. Volker Wittberg, bei der Pressekonferenz zur Vorstellung der Ergebnisse.

Erzielter Bürokratieabbau in den letzten Jahren eher gering

Dabei ist der Bürokratieabbau im Gesundheitswesen, die Kosten wurden 2017 von der FHM auf 4,33 Mrd. Euro jährlich veranschlagt, nicht so einfach wie möglicherweise in anderen Bereichen der Wirtschaft und Verwaltung. Dem stimmt auch der NKR zu, unter dessen Regie seit 2013 das Projekt „Mehr Zeit für Behandlung – Vereinfachung von Verfahren und Prozessen in Arzt- und Zahnarztpraxen“ läuft. Geeinigt hatte man sich auf 20 Handlungsempfehlungen. Der angestrebte Abbau von Bürokratie in der Arztpraxis lief in den vergangenen Jahren in kleinen Schritten. Nur wenige Formulare konnten in diesen bald sechs Jahren tatsächlich abgeschafft oder verkürzt werden: So konnten z.B. einige Formulare vereinheitlicht und vereinfacht werden, die in einer sehr hohen Zahl im Jahr ausgestellt werden. Dies erleichtert sowohl die Arbeit des Arztes als auch die der zuständigen Krankenkassen. Es konnten aber auch Fortschritte bei der Digitalisierung von Formularen und den dahinter stehenden Prozessen erreicht werden. So können Ärzte u.a. Laborüberweisungen vollständig digital tätigen. Für Zahnärzte werden gegenwärtig die vertraglichen und technischen Grundlagen für eine vollständige Umstellung von einem papiergebundenen auf ein elektronisches Antrags- und Genehmigungsverfahren von zahnärztlichen Leistungen vereinbart. „Es fehlt ein Bekenntnis der Verantwortlichen zu gemeinsamen Entlastungszielen“, so die NKR-Projektleiterin Andrea Wernitz (Ärzteblatt vom 6. Dezember 2018). (Lesen Sie auch: „unterirdische Qualität“ hinsichtlich der Digitalisierung im Gesundheitswesen)

Hier geht es zur Studie: Lösung des Ärztemangels: Zahlen, Daten & Fakten. Eine Grundlagendarstellung.