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Hausärztemangel: Kann die neue „Notstandsverordnung“ einen Lösungsbeitrag leisten?

Ärztemangel Gesundheitspolitik

Reichstag / Bundestag Ärztemangel Gesundheitsminister

Das Deutsche Ärzteblatt (5. Oktober 2018) vergleicht das neue Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit einem „Blindflug“ nach dem Motto „Wir versuchen das mal und schauen, was passiert“. Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Dr. med. Andreas Gassen sprach in diesem Zusammenhang sogar von der Einführung einer „KV-Polizei“ die keiner brauche. Gemeint ist die Überwachung der extra-bezahlten Ausweitung von 20 auf 25 Wochenstundensprechzeiten der deutschen Arztpraxen. Im Fokus stehen hier angesichts des Hausarztmangels in erster Linie Allgemeinarztpraxen. Das Mindestsprechstundenangebot der niedergelassenen Ärzte soll so in der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) niedergelegt werden. Das Oeuvre „TSVG“ umfasst aktuell 191 Seiten.

Man könnte annehmen: Im besten Falle könnte sich die medizinische bzw. ärztliche Kapazität auch einer Hausarztpraxis um 20 Prozent erhöhen. Dies würde demzufolge rechnerisch zu einer Kapazitätserhöhung von rund 8.000 „Arbeitseinheiten Arzt“ bei den derzeit 40.000 Bestandsärzten im hausärztlichen Bereich führen. Bis zum Jahre 2030 scheiden voraussichtlich mindestens 10.000 Hausärzte aus dem Berufsleben aus, bereits heute ist absehbar, dass nur rund die Hälfte dieser Arztstellen nachbesetzt werden können. Eine etwaige „Work Life Balance“-Euphorie der nachrückenden Ärztegeneration mit noch kaum einschätzbaren Kapazitätsreduzierungen durch ein bevorzugtes Teilzeit-Arbeitsmodell droht derweil zusätzlich (Stichwort Generation Y).

Das Terminservice- und Versorgungsgesetz folgt einem Irrglauben

Aber bei weitem gefehlt, so das Deutsche Ärzteblatt. „Erstens ist nicht klar, welches Volumen an zusätzlichen Sprechstunden zusammenkommt, da Vertragsärzte ohnehin schon überwiegend mehr als 50 Stunden in der Woche arbeiten. Und bei denen, die bereits 25 Sprechstunden anbieten, vergrößert sich das Angebot auch durch offene Sprechstunden nicht, sondern die Termine verschieben sich nur. Zu guter Letzt weiß niemand, wo die möglichen zusätzlichen Sprechstunden entstehen und ob sie dort notwendig sind.“ Letzteres ist zugegebenermaßen durchaus nachvollziehbar. Haben wir doch bundesweit in den sogenannten „Planungsbereichen“ Versorgungsgrade bei Hausärzten von etwa 70 bis über 140 Prozent. Aber das ist ja nur das bekannte hausgemachte „Planungsproblem“ der 17 Kassenärztlichen Vereinigungen insgesamt.

Man meinte zudem bisher, der Ärztemangel sei relativ flächendeckend und wenn man als Patient nicht mehr aufgenommen wird sucht und findet man eine solche nicht ausgelastete „Überkapazität“. Diese Wanderungsbewegungen sind bereits heute im niedergelassenen Bereich nach einer Schließung oder Neueröffnung einer Praxis bzw. eines Medizinischen Versorgungszentrums an der Tagesordnung. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sollen darüber hinaus verpflichtet werden, in unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Gebieten eigene Praxen (Eigeneinrichtungen) oder mobile und telemedizinische Versorgungs-Alternativen anzubieten. Woher diese Ärzte jedoch kommen sollten bleibt allerdings unklar. Auch die bekannten Berufsvorstellungen junger Ärzte der Generation Y blieben hierbei unberücksichtigt. Es ist daher absehbar, dass derartige Eigenpraxen der Kassenärztlichen Vereinigungen ähnliche Probleme bei der Besetzung haben werden wie heute schon klassische Landarztpraxen (Stichwort KV-Eigenpraxen).

Fazit: Die Beseitigung von Ineffizienzen ist ein Lösungsbaustein gegen den Ärztemangel

Tatsache ist: Die Gesundheitspolitik will sich anscheinend das autonome Handeln der (Haus-)Ärzte im Bereich des häufig ineffizienten Praxismanagements nicht mehr bieten lassen. Als Alarmbeispiel soll in diesem Zusammenhang erwähnt werden, dass nach einer aktuellen Forsa-Umfrage mehr als jeder vierte Arzt (28 Prozent) den Anschluss an das elektronische Gesundheitsnetz verweigert. Eine Untersuchung der Stiftung Gesundheit wirft ein weiteres Licht auf Ineffizienzen: Knapp 37 Prozent der niedergelassenen Ärzte würden (!) am liebsten per E-Mail in sicherer Umgebung kommunizieren, 21,5 Prozent über ein IT-System, welches sich idealerweise ins Arztinformationssystem integrieren ließe. Fast 60 Prozent der Niedergelassenen kommunizieren tatsächlich aber noch per Brief. Der damit einhergehende ineffiziente Berufsalltag wird noch dadurch erhöht, dass noch über 80 Prozent der Klinikärzte diesen Kommunikationsweg im Zeitalter von Industrie 4.0 und Digitalisierung nutzen.

Es geht, wenn es auch noch nirgends so benannt wird, beim Hausarztmangel auch um eine effizientere Nutzung der Ressource Hausarzt. – Was gäbe es denn daran auszusetzen? Apropos „KV-Polizei“: Gibt es da nicht einfachere, unbürokratische IT-Instrumente mit denen das Wichtigste aus dem täglichen Praxisgeschäft dazu „ausgelesen“ werden könnte?

Hier geht es zur Publikation: Wie ist dem Ärztemangel auf dem Lande zu begegnen?