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Kassenärztliche Vereinigungen wollen eigene Praxen führen: Lösung des Problems oder überflüssige „Spielerei“?

Bekanntermaßen ist es selbst für Unternehmer-Ärzte nicht einfach, für ihre Filialpraxen – hier handelt es sich meistens um Einzelpraxen von früheren Abgeber-Ärzten – jüngere Ärzte zu finden und sie an solchen medizinischen Einzelarbeitsplätzen auch längere Zeit vor Ort zu binden. Auch hat sich längst herumgesprochen, dass die Generation Y eher angestellt sein will. Der KV Baden-Württemberg zufolge wollen nur noch etwa 30 Prozent eines Jahrgangs sich selbständig niederlassen (Badische Zeitung, 13.3.2018).

Aber: Gleichzeitig will die Generation Y auch bevorzugt im Team (von Ärzten) arbeiten. Das gewährleistet ihnen einen regen beruflichen Austausch und in gewisser Weise auch eine laufende berufliche Weiterbildung im Tagesbetrieb. Doppelte Fehlanzeige bei solchen Eigeneinzelpraxen: Auch ein Arbeitsplatztausch (Jobrotation) mit einer „Zentrale“ (z.B. ein regionales gut erreichbares MVZ) ist weder möglich noch gewollt. (Stichwort Generation Y)

Konzentration auf Einzelpraxen auf der Höhe der Zeit?

Vor diesem Hintergrund will die KV Baden-Württemberg (KVBW) in den nächsten Jahren zwischen 20 bis 30 solcher Eigenpraxen (Grundlage: § 105 SGB V) in ihrem Bundesland einrichten. Dabei sollen diese Eigeneinrichtungen keine dauerhafte Lösung sein. Ein Zuspruch hierzu kam prompt vom Landesminister für Soziales, Manfred Lucha (Grüne): „Ich begrüße den Schritt der Kassenärztlichen Vereinigung, für einen gewissen Zeitraum durch eigene Praxen die medizinische Versorgung für Notfallpatienten sicherzustellen.“ Die südwestdeutsche KV will sich an ostdeutschen Vorbildern orientieren. Z.B. betrieb die KV Sachsen-Anhalt 2016 bereits mindestens sechs solcher Praxen, seit 2017 auch zwei in Halberstadt. Nach spätestens zwei Jahren sollen dann die angestellten Ärzte diese Eigenpraxen übernehmen und sich niederlassen.

Nun, wie schauen die Erfahrungen mit Eigenpraxen z.B. in Sachsen aus. Nach Thüringen war Sachsen das zweite Bundesland, das diese Form der ambulanten medizinischen Versorgung einführte (Pressemitteilung der KV Sachsen, 12. Januar 2011). Anfang 2011 hatte die KV Sachsen die erste Eigenpraxis in Nordsachsen (Arzberg) eröffnet. Mit dem Modell der Eigenpraxen beabsichtigt die KV Sachsen dem Ärztemangel (auf dem Lande) entgegenzusteuern. Die KV trägt die Praxis maximal für eine Dauer von zwei Jahren. Danach kann der dort angestellte Arzt die Niederlassung übernehmen. Bis 2016 hatte die KV Sachsen allerdings erst zwei Eigenpraxen eingerichtet. Für die KV bleibt dies die „Ultima ratio“. Vorher werde mit allen anderen Mitteln nach einem Arzt gesucht, der sich eigenständig niederlässt – notfalls auch mal mit Headhunter.

Seit dem 1. November 2016 betreibt die KV Sachsen neben Mügeln (seit 8. Januar 2016) eine weitere hausärztliche Praxis in Reichenbach  (Vogtland). Näheres zur aktuellen Situation ist der KVS-Mitteilung 02/2018 zu entnehmen: „Der dort angestellte Hausarzt V. hatte sein Arbeitsverhältnis nach nur einem knappen Jahr gekündigt. Aufgrund der kritischen Versorgungssituation schrieb die KV Sachsen erneut diese Hausarztstelle in der Stadt Reichenbach aus. Zudem hatten interessierte […] Ärzte zum Tag der offenen Tür am 25. Oktober 2017 die Möglichkeit, sich ein eigenes Bild von den gebotenen Perspektiven zu machen, die Praxis kennenzulernen und mit Vertretern der KV Sachsen ins Gespräch zu kommen. Hier erkundigte sich auch Dr. L. nach den Gegebenheiten vor Ort – und entschied sich kurzfristig für die Anstellung als Hausärztin. ‚Wir sind sehr erleichtert, dass wir so schnell eine Nachfolgerin finden konnten. Damit ist die vollumfängliche Versorgung wieder gesichert’, sagte [… die, Anm.] Geschäftsführerin der Bezirksgeschäftsstelle Chemnitz, zur Wiedereröffnung. Dass eine moderne Praxiseinrichtung sowie engagiertes, erfahrenes Praxispersonal von der KV Sachsen zur Verfügung gestellt wurden, hatte der bisher in Greiz tätigen Ärztin die Entscheidung erleichtert. So kann sie sich vorerst ganz auf ihre hausärztliche Tätigkeit konzentrieren, ohne ein finanzielles Risiko zu tragen.“

Masterplan der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg

Zurück zu Baden-Württemberg: Dort sind derzeit nach KVBW-Angaben 500 Allgemeinarztpraxen nicht besetzt; in den nächsten fünf Jahren scheiden weitere 500 Allgemeinärzte ohne Nachfolger aus. Kurzfristig soll ein „Masterplan“ helfen. Zu ihm gehört das gemeinsam mit den Kassen unterhaltene Programm „Ziel und Zukunft Baden-Württemberg (ZuZ)“, das neben Eigenpraxen auch Neugründungen und Übernahmen von Praxen unterstützt. Auch wurden mehr als 800 Ärzte, die derzeit nicht arbeiten, von der KV angeschrieben, um sie zur Rückkehr zu bewegen.

Fazit: Betrachtet man die geringe Effizienz und den Regieaufwand solcher Eigenpraxen, so sind diese eher eine ressourcenverschwendende „Spielerei“: Das Leitbild der ineffizienten Einzelpraxis soll partout – trotz gegenteiliger Marktentwicklungen – aufrechterhalten werden. Auch dürfte sich die Reaktivierung von früheren Abgeber-Ärzte einfacher gestalten wenn dies im Umfeld einer Mehrbehandler-Praxis geschieht. (Stichwort: Versorgungseffizienz)

Hier geht es zur Publikation: Wie ist dem Ärztemangel auf dem Lande zu begegnen?