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Der alte Arzt hat ausgedient – Der Ärztemangel und die Generation Y

Work-Life-Balance statt Arbeit bis zum Burn-Out: Die nach 1980 geborenen Ärzte leiten die Transformation im Bereich der ärztlichen Versorgung ein.

Die Neuen sind anders

Die Generation Y: Dieser Begriff umschreibt die Geburtenjahrgänge zwischen 1980 bis etwa zur Jahrtausendwende. Was anfänglich noch als Eigenheiten des beruflichen Nachwuchses galt, wird mittlerweile mit diesem Terminus beschrieben. Der unnachgiebige Drang nach mehr Freizeit, geregelten Arbeitszeiten, dem nahezu kategorischen Ablehnen von Überstunden und einer angestrebten 28-Stunden-Woche sind Kernforderungen dieser Generation. Dabei umfasst dieses „Phänomen“ längst nicht nur den medizinischen Sektor: freie Berufe wie Architekten, Steuerberater und Anwälte unterliegen ebenso dieser fundamentalen Änderung. Es dominiert das Angestelltenverhältnis. Ein Einzelkämpferdasein wird von den Neuen nur selten favorisiert. Man kann dieses Aufeinanderprallen so gegenläufiger Erwartungshaltungen an den eigenen Berufsalltag schon nahezu als „Clash of Cultures“ bezeichnen.

Christian Schmidt, Chirurg und medizinischer Geschäftsführer der Kliniken der Stadt Köln, untersuchte im Jahr 2010 als Erster die Konsequenzen des Generationenwechsels für den Arztberuf. Seine Ergebnisse publizierte er im deutschsprachigen Fachmagazin „Der Anästhesist“. Die Resonanz im medizinischen Sektor war angesichts des sich bereits abzeichnenden Ärztemangels groß.

Selbstbewusst durch übermäßiges Lob

Der Begriff Generation Y wurde Anfang der neunziger Jahre geprägt, um die demographische Kohorte der ab 1980 Geborenen zu definieren. Für die Kinder der Nachkriegsjahrzehnte war bereits in den 1950er Jahren der Begriff „Generation X“ verwendet worden. Er umfasst die zwischen 1965 und 1980 Geborenen. Die sogenannte „Babyboomer-Generation“ bezeichnet die Elterngeneration der Generation Y, also die zwischen 1946 und 1964 Geborenen.

Die Angehörigen der Generation Y, also die heute 20- bis 39-jährigen, sind Schmidts Literaturrecherche zufolge „durch ein hohes Selbstbewusstsein gekennzeichnet“ und zudem „nicht kritikfähig“ – wohl auch, weil sie „von den Babyboomern übermäßig gelobt“ wurden. Die Generation Y hat ein „hohes Anforderungsprofil an den Arbeitsplatz“, lehnt sowohl Hierarchien als auch „Absitzen von Arbeitszeit“ ab. „Überstunden müssen sehr gut begründet werden“, schreibt Schmidt. Die Generation Y „wechselt eher den Job als sich anzupassen.“ Während die Vorgängergeneration X noch pessimistisch war, oft mit dem Begriff Null-Bock-Mentalität in Verbindung gebracht wurde und sich individualistisch verhielt, ist die Generation Y pragmatisch, kooperativ und bildet aktiv Netzwerke. Ihre eigenen Eltern, die ihr Privatleben hinter dem Beruf zurückstellten, gelten bei der Generation Y als „Workaholics“. Von dieser Haltung „Leben, um zu arbeiten“ distanzieren sich die Mitglieder von Generation Y bewusst und fordern nachdrücklich ein Privatleben, das diesen Namen verdient. Das Familienbild definiere sich neu, konservative Werte würden wiederentdeckt, schreibt Schmidt: Die „Familie genießt höchste Priorität.“

Was aber heißt all das für den Arztberuf? „Sinnvolle Arbeitsinhalte und attraktive Arbeitszeitmodelle scheinen für die Generation Y noch wichtiger als für die vorherigen Generationen zu sein“, bilanziert Schmidt. Viel wichtiger sei, dass ein Einzelkämpferdasein als Landarzt nahezu allen Anforderungen der Generation Y widerspricht. Das Ergebnis: 90 Prozent der heutigen Landarztpraxen sind nicht überlebensfähig. Bereits heute fehlen bundesweit rund 10.000 Mediziner. Die Vorhandenen favorisieren in hohem Anteil eine Angestelltentätigkeit in einem Krankenhaus oder einer größeren Arztpraxis – eine Einzelpraxis auf dem Lande wird erst gar nicht in Erwägung gezogen. (Lesen Sie auch: Erfolgsmodell Medizinisches Versorgungszentrum)

„Kontrollierter Patientenkontakt und keinen Stress“

Die Haltung zur Arbeit, die Schmidt in seiner Publikation skizziert, steht völlig im Widerspruch zu einer jahrzehntelang eingeschliffenen Tradition im ärztlichen Berufsalltag, obgleich Klinik oder Praxis. Das Resumée: „Die wollen einen Nine-to-five-Job, kontrollierten Patientenkontakt und keinen Stress. Das ist ein Problem in der Medizin.“

Konnten Kliniken in den vergangenen Jahren entsprechend auf diese Entwicklung reagieren und ihre Attraktivität für Nachwuchsmediziner steigern, haben klassische Einzelpraxen kaum Möglichkeiten. „Die Chancen, dass eine Hausarztpraxis auf dem Lande einen Nachfolger findet liegt mittlerweile bei 15 bis 20 Prozent, mancherorts sogar bei Null“, so Adrian W.T. Dostal, Geschäftsführer der dostal & partner management-beratung gmbh mit Sitzen in Köln und Vilsbiburg. Aus seinem Arbeitsalltag zum Aufbau moderner und zukunftsfähiger Praxiseinheiten im ländlichen Raum weiß er, „dass es für die Sicherung der ärztlichen Versorgung auf dem Lande entscheidend sein wird, den Nachwuchsärzten der Generation Y attraktive Angestelltenangebote anbieten zu können.“ Und weiter: „Wir erleben gerade die Transformation im Bereich der ambulant-ärztlichen Versorgung“.

Und tatsächlich, die Zahlen sind eindeutig. Befanden sich im Jahr 2000 139.477 Ärzte in einem Angestelltenverhältnis, waren es 2017 bereits 198.500. Ein weiterer Aspekt: Die Medizin wird weiblicher. Der Anteil weiblicher Medizinstudenten liegt mittlerweile bei rund 70 Prozent. Frauen bevorzugen deutlich eher als Männer Teilzeitmodelle, so waren 2017 etwa 48 Prozent der angestellten Mediziner Frauen, obgleich ihr Anteil an der Gesamtheit der Ärzte weitaus geringer ist.

Die sich verändernde Marktsituation bringt auch ein neues Selbstbewusstsein hervor. “Jungen Medizinern steht unglaublich viel offen“, so Dostal. Das Motto im Praxis- und Klinikalltag lautet: „Wenn wir gehen, gibt es keinen anderen.“

Hier geht es zur Studie: Lösung des Ärztemangels: Zahlen, Daten & Fakten. Eine Grundlagendarstellung.