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Hausärztemangel auf dem Lande: Vom richtigen Zeitfenster für eine kommunale Initiative

Sprechen wir vom Ärztemangel, so steht in erster Linie die Zeitschiene der nächsten zehn bis zwölf Jahre im Fokus. Bis 2030 scheiden voraussichtlich etwa die Hälfte der Hausärzte aus dem Berufsleben aus. Tatsache ist: In diesen Jahren baut sich – u.a. wegen einer schon seit vielen Jahren begonnenen Reduzierung der Studienplätze insgesamt – ein ungedeckter Bedarf an Hausärzten von etwa 50 Prozent auf, möglicherweise auch mehr. Geht der Trend „Hin zur Stadt und nicht auf das Land“ unverändert weiter, hieße das für selbiges: Es fehlen 70 bis 80 Prozent. Was bedeutet dies für eine kommunale Initiative?

Das bedeutet, dass mindestens jeder zweite Arztsitz nicht 1:1 gedeckt werden kann. D.h. die Ressource „Hausarzt“ muss anders als bisher, sprich effizienter, genutzt werden (Stichwort: Versorgungseffizienz). Auch kann infolgedessen nur bei einem Drittel der betroffenen Kommunen eine – und zwar modern strukturierte – Praxis aufrechterhalten bzw. treffender formuliert, neu auf den Weg gebracht werden. An was lässt sich dafür das „richtige“ Zeitfenster für eine kommunale Initiative festmachen?

Tatsächliches Ausmaß des Ärztemangels noch nicht absehbar

Unklar sind dabei u.a. folgende Faktoren: Wie groß wird die Kohorte der 65 bis 75jährigen tätigen Hausärzte noch werden? Eine steigende Tendenz ist hierbei unverkennbar. Wie hoch fallen die in der Regel ineffizienten 1:1-„Ergänzungen“ der fehlenden Kapazitäten bei Einzelpraxen weiterhin aus? Die Allgemeinmediziner aus dem stationären Sektor, die in den Niedergelassenen-Bereich wechseln, ist ebenso nicht zu beziffern wie die Entwicklung bei den bereits in Grenzregionen tätigen (Haus-)Ärzten aus dem benachbarten EU-Ausland (Tschechien, Ungarn, Polen usw.). Dazu kommt als unbekannte Größe die möglichen „Wiedereinsteiger“ nach Berufspausen, Auslandsaufenthalten oder Reaktivierungen aber auch die Niederlassungsergebnisse aus dem Bereich der ärztlichen Familiengenerationen. Ebenso kommt der unbekannte Wechsel-Saldo mit anderen Bundesländern hinzu. Aber auch die Ergebnisse von Förderprogrammen sind kaum einschätzbar. – Soweit die wichtigsten „Unbekannten“ die sich auch bei den einzelnen Kommunen bemerkbar machen können.

Detaillierte Auswirkungsprognosen pro Jahr, geschweige pro irgendwelchen Planungsbereichen usw., sind damit nicht möglich. Diese Unbestimmtheit findet ihren Niederschlag auch in der letztendlich tatsächlichen Anzahl der betroffenen Kommunen. Hier erschweren auch die nicht einschätzbaren entlastenden Entwicklungen bei den Praxisstrukturen die Bezifferung des Umfangs. Erste Kommunen mit etwa 5.000 Einwohnern und z.B. Gemeinschaftspraxen mit sechs Ärzten (davon drei in Weiterbildung) belegen die Machbarkeit von mehr Versorgungseffizienz. – Soweit das Marktumfeld, oder: Kommt es gar zu einer, durch weiterhin ungebremste 1:1-Nachbesetzungen von Einzelpraxen ausgelösten, Krise um 2025/2026?

Der frühe Vogel fängt den Wurm

Was bedeutet dies für die Kommune selbst? – In den betroffenen Kommunen geht es darum – wenn die Einsicht selbst handeln zu müssen „gereift“ ist – mit den vorhandenen Hausärzten ggf. auch Fachärzten so ins nachhaltige Gespräch zu kommen, dass die tatsächliche Situation auf der Zeitachse einigermaßen transparent wird und kontinuierlich bleibt. Von Abgeber-Aussagen, dass es mit der Nachfolge „wie früher“ schon klappen wird oder anderes Selbstzentriertes, welches das Gemeinwohl nicht berücksichtigt, sollte man sich nicht irritieren lassen. Diese können u.a. der Unkenntnis der Marktsituation, der Wettbewerbssituation als Arzt und künftiger Praxis-Abgeber, im Verdrängen der anstehenden Praxisaufgabe oder der Unterschätzung der dann greifenden KV-Prozeduren, geschuldet sein. (Stichwort: Abgeber-Ärzte)

Zur Lagebeurteilung vor Ort gehören ferner u.a. auch die Abklärung des Versorgungsgrades, das Engagement relevanter Kliniken, überregional agierende Filialpraxen, das Vorhandensein von Unternehmer-Ärzten oder -Apothekern, sonstige Investoren (Banken, Bauträger, Immobilienentwickler usw.) und vorhandene Infrastrukturen für eine größere Einheit, denn: 80 Prozent der Einzelpraxen auf dem Lande sind aus vielerlei Gründen nicht nachhaltig zukunftstauglich. Letzteres schließt – eigentlich – eine bloße 1:1-Nachbesetzung aus.

Spätestens da taucht bei der wahrgenommenen kommunalen Rolle als Moderator und Unterstützer die Kernfrage auf: Wer kümmert sich konkret vor Ort darum? (Stichwort: kommunale Rolle) – Um das „Wer“ zu beantworten und das „Was“ auf einem Zeitstrahl beantworten zu können, zwei Winke: Ist genügend Zeit vorhanden (d.h. mindestens drei Jahre vor einem sich dann abzeichnenden „kritisch werden“), dann ist die Rolle tendenziell – bei genügend vorhandener qualitativer Kapazität – „in Eigenregie“ übernehmbar. Falls zeitlich darunter: Ist es besser sich einer professionellen externen Analyse-, Konzept-, Moderatoren- und Umsetzungsunterstützung zu versichern. In beiden Fällen gilt: „Der frühe Vogel …“ – Grundsätzlich gilt: Ein vorab „effektiv wissen“ sollte nicht mit einem „Hoffen“ verwechselt werden.

Hier geht es zur Publikation: Wie ist dem Ärztemangel auf dem Lande zu begegnen?