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Ärztemangel: Delegation ärztlicher Leistungen gewinnt zunehmend an Bedeutung

Delegation ärztlicher Leistungen

Zi veröffentlicht Befragungsergebnisse zum Einsatz nichtärztlicher Praxisassistenten (NäPA)

Die Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliche Berufsgruppen gewinnt vor dem Hintergrund des bereits bestehenden Hausärztemangels bei gleichzeitig wachsendem Bedarf an ärztlichen und pflegerischen Leistungen zunehmend an Bedeutung. (Lesen Sie auch: Das Schwarze-Peter-Spiel um die Hausärzte)

Delegationsmodell in der hausärztlichen Versorgung 

In Deutschland existieren für den hausärztlichen Bereich inzwischen einige Delegationsmodelle, die sich dadurch auszeichnen, dass besonders qualifizierte Medizinische Fachangestellte (MFA) hausärztlich angeordnete, spezifische Leistungen erbringen. Den Anfang bildete dabei 2007 das von der Universität Greifswald entwickelte Qualifikationsmodell zur AGnES (Arztentlastende, gemeindenahe, e-health-gestützte, systemische Intervention), in welchem nach dem Vorbild der Gemeindeschwestern in der ehemaligen DDR, die Übernahme von Hausbesuchen durch fortgebildete nicht-ärztliche Fachkräfte (AGnES) im Fokus standen. Es folgte 2008 das entwickelte Konzept der VERAH (Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis) und das 2009 von den Ärztekammern und den Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein und Westfalen-Lippe initiierte Modell der EVA (Entlastende Versorgungsassistentin), dessen Konzept im Jahr 2010 zur NäPA (nichtärztlichen Praxisassistentin) umbenannt wurde. Auch die AGnES-Fachkraft wurde damit zur NäPA. 

Mit dem im Januar 2012 in Kraft getretenen Versorgungsstrukturgesetz hat der Gesetzgeber die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und den Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV-SV) beauftragt, eine Vereinbarung zur Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliches Personal zu schließen (Bundesgesundheitsministerium 2012). Dementsprechend haben die KBV und der GKV-SV in Abstimmung mit der Bundesärztekammer im Jahr 2013 den BMV-Ä um eine Anlage 24 („Vereinbarung über die Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliches Personal in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung“; KBV und GKV-SV 2013) erweitert. Diese Vereinbarung regelt die Anforderungen an die Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliche Mitarbeiter in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung und führt in einem sich im Anhang befindenden Katalog beispielhaft auf, bei welchen Tätigkeiten nichtärztliche Mitarbeiter grundsätzlich ärztliche Leistungen erbringen können und welche spezifischen Anforderungen an die Erbringung zu stellen sind. Für den hausärztlichen Bereich werden dabei folgende delegierbare Aufgaben aufgeführt (nicht abschließend): 

  • Datenerfassung und Dokumentation von Untersuchungsergebnissen und Therapieerfolgen, 
  • Unterstützung bei der Erstellung von schriftlichen Mitteilungen und Gutachten, 
  • Anamnesevorbereitung, 
  • Unterstützung bei Vermittlung und Erläuterung standardisierter Informationsmaterialien, 
  • Technische Durchführung von Untersuchungen (Röntgen, CT, MRT), 
  • Unterstützung bei Früherkennungsleistungen, 
  • Hausbesuche, 
  • Injektionen, Infusionen, 
  • Laborleistungen, 
  • Unterstützende Maßnahmen zur Diagnostik/Überwachung, 
  • Wundversorgung und Verbandwechsel.

Vergütung

In den Jahren 2009 bis 2014 konnten die Leistungen von zur AGnES, EVA bzw. NäPA qualifizierten nichtärztlichen Mitarbeitern nur in unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Regionen in der Regelversorgung abgerechnet werden. Seit 2015 ist dies bundesweit allen Hausarztpraxen, die innerhalb eines Quartals eine im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) definierte Mindestfallzahl erreichen, möglich. Eine Honorierung der VERAH-Leistungen erfolgte demgegenüber bis Ende 2014 ausschließlich über Selektivverträge. Seit 2015 besteht grundsätzlich die Möglichkeit, die Vergütung für zur VERAH und/oder zur NäPA qualifizierte Mitarbeitern sowohl über Selektivverträge als auch über den EBM zu erhalten, sofern die Bedingungen erfüllt sind.

2021 mehr als 12.000 NäPA in Vertragsarztpraxen angestellt 

Der Umfang, in dem ärztliche Aufgaben delegiert werden können, ist dabei vom Grad der Qualifizierung der nichtärztlichen Fachkraft abhängig. Je qualifizierter die nichtärztlichen Mitarbeiter sind, desto größer ist der potenzielle Delegationsrahmen. Die Zusatzqualifikation nichtärztlicher Praxismitarbeiter ist daher ein hochrelevantes Thema für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung.

Anzahl NäPA und Anzahl NäPA beschäftigender Praxen im Jahr 2021 nach KV

Quelle: Zi, eigene Darstellung

Vor diesem Hintergrund hat das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) die 17 Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) in der Zeit von Mai bis Juli 2022 per standardisiertem Fragebogen nach der Anzahl, der Verteilung und der Vergütung für die NäPA befragt. Insgesamt waren 2021 rund 12.000 zur NäPA qualifizierte Mitarbeiter in rund 10.000 Vertragsarztpraxen beschäftigt. Berücksichtigt man die Anzahl der Praxen in städtischen und ländlichen Regionen war der Einsatz einer NäPA in ländlichen Regionen häufiger. Bei den meisten Praxen handelt es sich um Hausarztpraxen. Je nach KV-Region hatten bis zu 50 Prozent der Hausarztpraxen mindestens eine NäPA angestellt. Aber auch unter Fachärzten gewinnt das NäPA-Konzept zunehmend an Bedeutung. 

Die Zi-Befragung hat darüber hinaus gezeigt, dass fast alle Hausarztpraxen, die 2021 eine NäPA beschäftigt hatten, aufgrund der behandelten Fallzahl die volle Höhe der Vorhaltekosten (aktuell 2.681 Euro pro Quartal) erhalten haben. Der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) setzt voraus, dass dafür mindestens 1.082 Behandlungsfälle pro Quartal versorgt worden sind. „Damit bekommen die meisten Hausarztpraxen zwar die im EBM vorgesehenen Vorhaltekosten für die Beschäftigung einer NäPA. Wenn die Praxisinhaberinnen bzw. Praxisinhaber mit großen Praxen aber noch eine zusätzliche hoch qualifizierte nichtärztliche Mitarbeitende anstellen wollen, erhalten sie keine entsprechende Finanzierung und tragen diese Kosten in voller Höhe selbst“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried. Eine weitere finanzielle Unterstützung sei dann im EBM nicht mehr vorgesehen.

Trotzdem zeigt die Auswertung der angestellten NäPA bezogen auf alle Praxen deutliche Unterschiede hinsichtlich der Praxisart und -größe:  

  • So ergibt sich für die Einzelpraxen ein Anteil an „NäPA-Praxen“ von 6,8%,
  • für die Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) ein Anteil von 18,8%, 
  • für MVZ ein Anteil von 15,5% und 
  • für Polikliniken und Eigeneinrichtungen ein Anteil von 22%.

Es ist also zu vermuten, dass Praxen, die bereits in Kooperationsstrukturen arbeiten (und auch entsprechend größer sind), eher eine NäPA einstellen, als dies bei Einzelpraxen der Fall ist. Ein Blick auf die Tabelle zeigt zudem, dass sich – unabhängig davon, ob sie die entsprechenden Vorhaltekosten erhalten oder nicht – der Einsatz einer NäPA wirtschaftlich auch ohne Vorhaltekosten trägt. Ansonsten sind die die Werte von 1,89 NäPA in der Praxis (Bayern) und der Durchschnittswert von 1,25 NäPA pro Praxis nicht zu erklären. (Lesen Sie auch: Fünftes Regionales Versorgungszentrum in Rehren eröffnet)

Hinderungsgrund für den vermehrten Einsatz einer NäPA ist hier sicherlich die Quotierung der entsprechenden EBM-Werte (GOP 03060 und 03061). Dies bedeutet schlichtweg, dass ab einer bestimmten Anzahl an Fällen die darüberhinausgehenden Fälle nicht mehr honoriert werden. Damit werden aktiv Möglichkeiten vertan, den Ärztemangel durch entsprechend qualifiziertes Praxispersonal in ausreichendem Umfang aufzufangen. 

„Die Fachärztinnen und Fachärzte gehen dabei – anders als Hausärzte – sogar gänzlich leer aus. Hier sollte mit Blick auf neue Versorgungsmodelle in Regionen mit einer ärztlichen Unterversorgung dringend über eine Erweiterung des EBM-Vergütungsrahmens nachgedacht werden – nicht nur für Haus- sondern auch für Fachärztinnen und Fachärzte“, forderte der Zi-Vorstandsvorsitzende.

„Zudem muss noch geklärt werden, wie der Delegationsrahmen der Physician Assistants (PA) im Vergleich zu dem der NäPA sinnvoll und rechtssicher erweitert werden kann. Auch wie das Aufgabenspektrum und die Finanzierung der im Koalitionsvertrag skizzierten Community Health Nurse sowie das Angebot eines Gesundheitskiosks im bestehenden Rechtsrahmen der Gesundheitsversorgung implementiert werden soll, ist noch völlig offen. Hier sehen wir noch sehr viel Abstimmungs- und Diskussionsbedarf“, bekräftigte von Stillfried. (Lesen Sie auch: Ärzte sehen überdurchschnittliche Qualität der Versorgung in MVZ)

Quelle: Pressemitteilung der Zi-Pressestelle vom 8. November 2022, „Delegation ärztlicher Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung – Befragung unter den Kassenärztlichen Vereinigungen zum Einsatz besonders qualifizierter nichtärztlicher Praxisassistenten (NäPA), Dr. Sandra Mangiapane, Thomas Czihal, Dr. Dominik von Stillfried, herausgegeben vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung Berlin, 2022