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Hausärztemangel: Vom unterschiedlichen Blick kommunaler Entscheidungsträger

Der Blick auf die Herausforderung Hausärztemangel differenziert sich schnell anhand der Einwohnergröße. Zum einen herrscht bei vielen Entscheidern das Gefühl vor „gut aufgestellt zu sein“. Diese Kommunen verfügen häufig – um nur die wichtigsten aufzulisten – über eine Klinik, ein Ärzte- oder Gesundheitszentrum, mehrere Gemeinschaftspraxen und einige Fachärzte am Ort, mehrere Investoren, eine überdurchschnittlich ausgeprägte Schulinfrastruktur, mindestens ein Pflegeheim, eine günstige geographische und verkehrstechnische Lage, eine aufstrebende Gemeindeentwicklung mit vielen neuen Betriebsniederlassungen und damit Zuzug junger Familien. Dazu kommt das Gefühl: „Ja, das Problem gibt es wo anders, bei uns nicht“, „Das ist kein Thema“, „Das hat bislang immer von alleine funktioniert“ oder „Wir haben das für die nächsten 20 Jahre für die Stadt gelöst“.

Gemeindegröße als Gradmesser für potentielle Betroffenheit

Zum anderen ist der Blick bei denjenigen Entscheidern, die in kleineren Kommunen Verantwortung tragen und heute schon betroffen sind oder in absehbarer Zeit davon betroffen sein werden, beim Stichwort „Hausärztemangel“ ganz anders und auch vielfältiger. Das reicht von einem „Wieso sind wir denn überhaupt zuständig?“, „Wir suchen schon seit Jahren“ bis hin zu einem „Wir haben einen runden Tisch mit unseren Ärzten eingerichtet, dann sehen wir gemeinsam weiter.“ Dabei verläuft die Betroffenheitslinie „Land“ wohl entlang der Grenze von etwa 8.000 bis 9.000 Einwohnern im zentralen Ortskern, sieht man von sozialschwachen Stadtquartieren mit 40.000 bis 50.000 Einwohnern einmal ab.

Die Assoziationen bei „Landarztmangel“ sind dabei durchaus mehrschichtig, polyperspektivisch allemal. Da kommt zuerst durchaus ein gewisser Unmut hoch, dass es mit dem KV-Sicherstellungsauftrag nicht so klappt und dass die ortansässigen Abgeber-Ärzte immer älter werden, ohne dass „etwas passiert“. Angesprochen wird, dass die Vetopositionen der Ärzte häufig kaum nachvollziehbar sind, obwohl diese nicht selten die 70 schon überschritten haben und teilweise auch ein leidvolles „der eine Hausarzt hat einfach aufgehört, wir haben es erst hinterher erfahren.“ Gleichzeitig wissen viele Einiges von der Generation Y, von deren vorausgesetzten Work Life Balance (Stichwort Generation Y).

Handlungsbereitschaft der Gemeinde als Schlüssel zur Lösung

In einer quasi zweiten Schichtung folgen Themen wie die Bereitstellung einer Immobilie, das Bauen eines eigenen Ärztehauses am Ort oder die Einrichtung eines MVZ – häufig zusammen mit dem Wunsch bei beiden Initiativen gleich Fachärzte einzubinden und zu gewinnen (meistens weiß man aber, dass wg. der Überversorgung keine Facharztsitze verfügbar sind). Manchmal hat auch ein größerer Nachbarort das Thema schon gelöst. Dazu kommt häufig: „Von der KV war auch schon jemand da“ bzw. es wurden Gespräche ohne gewünschten Erfolg geführt, manche haben einen tollen Plan für ein Ärztehaus bzw. ein Gesundheitszentrum schon in der Tasche bzw. in der Schublade liegen (viele Kommunen wollen selbst bauen, andere stützen sich auf Investoren ab, auffällig dabei: Sparkassen und Genossenschaftsbanken spielen dabei kaum eine Rolle). Auch wurden Flyer zur Arztsuche gedruckt, Anzeigen geschaltet oder ganz vereinzelt schon eine leere Immobilie gekauft (manchmal war dort zwar eine Arztpraxis und es fiel erst hinterher auf, dass man damit keinen Arzt bzw. Arztsitz automatisch „sicher“ hat).

Einer weiteren Gruppe fällt dagegen nur ein: „Da wird von Dritten bereits daran gearbeitet“, „Wir sind seit langer Zeit schon in Kontakt mit dem Hausärzteverband“, „Die Förderprogramme und Unterstützungen zur Praxisgründung werden schon helfen“, „Die Tochter hat vor Kurzem die Praxis von Ihrem Vater (wenn auch nach einer langen Diskussions- und Überlegungsphase) endlich übernommen.“ Also, man gibt sich weiter mit der Rolle des Zuschauers zufrieden.

Nahezu von Quartal zu Quartal werden die Aussagen bei den betroffenen Kommunen wie „Wir sind nicht zuständig“, „Das wird der Landkreis schon richten. Die haben da jetzt jemand eingestellt“ oder „Die Politik will auch dieses Thema bei uns abladen“ seltener. Gleichwohl ist mancher Verantwortlicher mit seinem Konzept für ein Gesundheitszentrum an seinem Gemeinderat schon gescheitert und hat resigniert. Dazu kommen aber weiterhin „Schwarze Peter Spiele“ bei einhergehendem Begriffs- und Zuständigkeits-Wirrwarr.

Zu selten werden dagegen Nachbarkommunen (mit ihrem meist letzten Hausarzt) in die Überlegungen einbezogen, auch das Thema ÖPNV scheint nicht dazuzugehören und die Priorität des wirtschaftlichen und organisatorischen Mitwirkens der Kommune beim Betreiben eines Gesundheitszentrums oder einer kommunalen Gesellschafterrolle bei einer gemeinnützigen MVZ-Betreiber GmbH wird nicht reflektiert (Stichwort kommunale Initiative).

Letzteres ist dann tatsächlich „Neuland“: Etwas ganz Natürliches im Rahmen der bereits unauffällig laufenden Transformation im Hausärztemarkt: Es werden künftig weniger Ärzte im Rahmen delegativer Praxisstrukturen mehr Medizinisches leisten müssen als die Altvorderen. Zur Beruhigung kann vielleicht folgender Hinweis dienen: Etwas Ähnliches steht z.B. auch bei den Krankenhäusern in Zeiten von Arbeit 4.0 an. Dort hofft man zwar auf eine neue „Gießkanne“ aus Berlin oder der Landeshauptstädte, die Krankenkassen wollen aber am liebsten jedes zweite Krankenhaus schließen. Wenn da keine Chance in Richtung „mehr Hausärzte“ winkt?

Hier geht es zur Publikation: Wie ist dem Ärztemangel auf dem Lande zu begegnen?