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KI in deutschen Arztpraxen: Revolution oder Evolution

KI Arztpraxis

Mehr und mehr Ärztinnen und Ärzte nutzen KI-basierte Anwendungen, um ihren beruflichen Alltag effizienter zu gestalten. Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, administrative Aufgaben zu vereinfachen, die Versorgungsqualität zu steigern und den steigenden Anforderungen im Gesundheitswesen zu begegnen. Doch wo Chancen liegen, gibt es auch Herausforderungen – insbesondere beim Thema Datenschutz und der sicheren Integration in den medizinischen Alltag.

Die steigende Bedeutung von KI in der Medizin

Der demografische Wandel und der zunehmende Fachkräftemangel führen zu einer wachsenden Lücke zwischen Versorgungsbedarf und personellen Ressourcen. Bis 2035 wird etwa die Hälfte der Ärzte in den Ruhestand gehen, während die Zahl der über 65-Jährigen in Deutschland auf 20 Millionen ansteigt. Künstliche Intelligenz wird dabei helfen, diese Diskrepanz zu überbrücken. Eine aktuelle Studie zeigt, dass bereits ein Drittel der deutschen Ärztinnen und Ärzte KI in der ambulanten Versorgung nutzt, insbesondere in den Bereichen Bildgebung, Diagnostik und Dokumentation. Die Mehrheit der Befragten betrachtet KI als essenziell für die Zukunft der Medizin und erwartet durch deren Einsatz eine Entlastung von Routinetätigkeiten, was zu einer besseren Prävention und individualisierten Patientenversorgung führt. (Lesen Sie auch: Der Wandel in der ambulanten ärztlichen Versorgung)

Kürzlich entwickelten zwei deutsche Mediziner eine Sprechstunden-KI, die Arzt-Patienten-Gespräche dokumentiert, Therapieempfehlungen generiert und Abrechnungsziffern vorschlägt. Diese innovative Lösung basiert auf einem Raummikrofon und VPN-Zugängen, die die Datenverarbeitung auf deutschen Servern gewährleisten. Der KI-unterstützte Prozess spart Zeit und minimiert Fehler in der Dokumentation. 

Neben solchen Projekten nutzen bereits viele Praxen KI-basierte Übersetzungsdienste wie DeepL oder digitale Telefonassistenten, um Sprachbarrieren zu überwinden oder Patientenanfragen effizienter zu bearbeiten. Die Verfügbarkeit solcher Tools wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen.

Anwendungsbeispiele aus der Praxis

Radiologie: In der Bildgebung hat KI eine Vorreiterrolle übernommen. KI-gestützte Technologien analysieren große Mengen an Bilddaten, unterstützen bei der Erkennung von Krebs und automatisieren Routineaufgaben. Laut der Deutschen Röntgengesellschaft sind bereits über 700 KI-basierte Medizinprodukte in der radiologischen Diagnostik zugelassen. Diese Systeme helfen, Diagnosen präziser und schneller zu stellen, was gerade bei der Früherkennung lebensrettend sein kann.

So unterstützt KI z.B. bei der Früherkennung von Brustkrebs im Rahmen des deutschen Mammografieprogramms. Eine von einem Berliner Startup entwickelte KI-basierte Software hat gezeigt, dass die Genauigkeit der Diagnosen signifikant verbessert werden kann. Durch die Analyse von Bilddaten hilft die Software, Brustkrebs bereits in frühen Stadien zu erkennen, was die Heilungschancen erheblich steigert. Solche Anwendungen sind ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie KI die Präzision und Effizienz in der Diagnostik erhöhen kann.

Praxisorganisation und Patientenmanagement: Neben der Diagnostik spielt KI auch eine wichtige Rolle bei der Optimierung administrativer Aufgaben in Arztpraxen. KI-gestützte Systeme übernehmen Aufgaben wie Terminplanung, Dokumentation und Abrechnung. Diese Automatisierung entlastet das Praxisteam erheblich und schafft mehr Raum für die direkte Patientenversorgung. Digitale Telefonassistenten, die auf KI basieren, organisieren beispielsweise Patientenanrufe, während Übersetzungs-Apps wie DeepL Sprachbarrieren zwischen Ärztinnen und Ärzten sowie Patientinnen und Patienten überbrücken können.

Neurologie: Ein innovatives Beispiel ist die Entwicklung von KI-Systemen zur Unterscheidung verschiedener Demenzformen. Eine Software, die in einer Studie an über 51.000 Personen getestet wurde, konnte zehn verschiedene Demenztypen selbst bei begrenzten Daten zuverlässig differenzieren. Die Anwendung solcher Systeme ermöglicht eine frühzeitige und differenzierte Diagnose, was essenziell für eine gezielte Therapie ist.

Ophthalmologie: Auch in der Augenheilkunde wird KI genutzt, etwa zur Analyse von Netzhautscans. Ein Cochrane-Review zeigte, dass algorithmusbasierte Diagnosen bei altersbedingter Makuladegeneration eine Genauigkeit erreichen, die mit der von Fachleuten vergleichbar ist. Projekte wie Eye2Gene trainieren KI-Modelle, um seltene Augenerkrankungen zu identifizieren und Mutationsanalysen zu erleichtern, was insbesondere die Forschung vorantreibt.

Innere Medizin: KI-Systeme wie CHARTwatch überwachen Patientenakten in Echtzeit und erkennen Warnsignale für klinische Verschlechterungen. In einer kanadischen Studie konnte dieses System die Zahl der unvorhergesehenen Todesfälle signifikant reduzieren. Ähnliche Technologien werden auch in Deutschland eingesetzt, vor allem in der Intensivmedizin, um Komplikationen frühzeitig zu identifizieren.

Hämatoonkologie: Ein bemerkenswertes Beispiel für den Einsatz von KI ist das Tool clinALL, das von der Medizinischen Hochschule Hannover entwickelt wurde. Es kombiniert genetische und klinische Daten, um die Diagnose von Kindern mit akuter lymphatischer Leukämie (ALL) zu verbessern. In einer Studie konnte die KI fast 80 % der Teilnehmenden korrekt charakterisieren, die mit herkömmlichen Methoden nicht stratifiziert werden konnten. Diese Systeme schließen Diagnostiklücken und verbessern Therapieentscheidungen erheblich. Sie zeigen, wie KI zur Standardisierung und Prognoseabschätzung bei komplexen hämatologischen Erkrankungen beitragen kann.

Datenschutz: Ein zentraler Faktor für den Erfolg

Doch bei aller Euphorie sind auch die damit einhergehenden Herausforderungen nicht zu unterschätzen. Mit der zunehmenden Verbreitung von KI im Gesundheitswesen gewinnt der Datenschutz an Bedeutung. Medizinische Anwendungen verarbeiten hochsensible Daten, und deren Schutz ist sowohl ethisch als auch rechtlich unabdingbar. Die Europäische Union hat mit der EU-KI-Verordnung (EU AI Act) ein weltweit führendes Regelwerk geschaffen, das den sicheren und transparenten Einsatz von KI-Systemen gewährleisten soll. Dieses ergänzt bestehende Vorschriften wie die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und die Medizinprodukteverordnung (MDR).

Die EU-KI-Verordnung sieht vor, dass KI-Systeme, insbesondere im medizinischen Bereich, strengen Prüfungen unterzogen werden. Anbieter und Betreiber solcher Systeme sind verpflichtet, ein umfassendes Risikomanagement zu implementieren, die Qualität der verarbeiteten Daten sicherzustellen und die Funktionsweise der Systeme transparent zu gestalten. Gerade bei Hochrisiko-KI-Systemen wie Diagnose- und Therapiewerkzeugen müssen Nutzer in der Lage sein, die Ergebnisse der KI zu interpretieren und anzuwenden. (Lesen Sie auch: Kommunale Gesundheitsversorgung neu gedacht. Ein Blick auf das MVZ Spreewald)

Ein zentrales Problem bleibt jedoch die sogenannte „Blackbox“-Problematik, bei der die Entscheidungsprozesse der KI für den Menschen kaum nachvollziehbar sind. Diese Intransparenz erschwert nicht nur die Haftung bei Fehlentscheidungen, sondern auch die Akzeptanz bei Ärztinnen und Ärzten. Hinzu kommt, dass die Verwendung solcher Systeme stets mit einer umfassenden Patientenaufklärung einhergehen muss, insbesondere wenn es sich um neue Technologien handelt, die noch nicht dem medizinischen Standard entsprechen.

Neben den technischen Anforderungen sind auch organisatorische Maßnahmen erforderlich. Ärztinnen und Ärzte sowie medizinisches Personal müssen im Umgang mit KI geschult werden, um sowohl die Risiken zu minimieren als auch die Potenziale optimal zu nutzen. Dies erfordert Investitionen in Weiterbildung und klare Richtlinien, die den sicheren Einsatz dieser Technologien regeln.

Fazit: Die Zukunft der Medizin mit KI gestalten

Künstliche Intelligenz wird das Gesundheitswesen nachhaltig verändern. Sie wird die Versorgung verbessern, die Effizienz steigern und Ärztinnen und Ärzte entlasten. Doch der Erfolg hängt maßgeblich davon ab, wie sicher und verantwortungsvoll diese Technologien integriert werden. Eine klare rechtliche Grundlage, transparente Systeme und der Schutz sensibler Daten sind dabei ebenso entscheidend wie die Akzeptanz und das Vertrauen der Nutzer.

Die nächsten Jahre werden zeigen, wie gut es gelingt, die Balance zwischen Innovation und Sicherheit zu halten. Mit den richtigen Rahmenbedingungen wird die Künstliche Intelligenz jedoch einen wesentlichen Beitrag leisten, die Herausforderungen im Gesundheitswesen zu bewältigen und die Medizin der Zukunft aktiv zu gestalten.