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Telemedizin: Ein Schlüssel zur Schließung von Versorgungslücken

Telemedizin Baden-Württemberg

Eine umfassende Machbarkeitsstudie, durchgeführt vom Softwareunternehmen Bindoc im Auftrag des Bosch Health Campus, hat aufgezeigt, dass ein verstärkter Einsatz von Telemedizin die durch die geplante Krankenhausreform in Baden-Württemberg entstehenden Versorgungslücken nahezu vollständig kompensieren könnte. Besonders in ländlichen Regionen, wo die Anfahrtszeiten zu Krankenhäusern erheblich länger werden könnten, zeigt die Studie ein beeindruckendes Potenzial der telemedizinischen Unterstützung. (Lesen Sie auch: Krankenhausreform – Zukunft der stationären Versorgung)

Zwei zentrale Leistungsgruppen im Fokus

Die Studie konzentrierte sich auf die beiden Leistungsgruppen Allgemeine Innere Medizin und Allgemeine Chirurgie, da diese etwa 40 Prozent aller stationären Fälle in Deutschland ausmachen. Ziel war es, die Auswirkungen der Krankenhausreform auf die Versorgungssituation zu bewerten und zu simulieren, wie diese durch den Einsatz von Telemedizin verbessert werden könnte.

Unter telemedizinischer Aktivierung verstehen die Autoren den Einsatz von Telemedizin in sektorübergreifenden Versorgungseinrichtungen wie Level-1i-Krankenhäusern oder anderen Kliniken, um ursprünglich nicht angebotene Leistungsgruppen durch digitale Zuschaltung verfügbar zu machen. Der Erfolg wurde daran gemessen, wie viele Menschen durch diese Maßnahmen innerhalb einer akzeptablen Fahrzeit von maximal 30 Minuten wieder Zugang zu den entsprechenden Versorgungsleistungen erhalten.

Was sind Level-1i-Krankenhäuser?

Diese neu eingeführte Kategorie umfasst Krankenhäuser, die eine Kombination aus stationären und ambulanten Leistungen anbieten. Level 1i Krankenhäuser sind darauf ausgelegt, eine umfassende sektorenübergreifende Versorgung zu bieten, insbesondere in ländlichen und unterversorgten Gebieten.

Ergebnisse: Allgemeine Innere Medizin

Vor der Reform konnten 97 Prozent der Bevölkerung Baden-Württembergs innerhalb von 30 Minuten eine der 129 Kliniken erreichen, die diese Leistungen anbieten. Etwa drei Prozent der Bevölkerung, rund 321.770 Menschen, galten als unterversorgt. Nach Einführung der Qualitätskriterien der Krankenhausreform wird die Zahl der Kliniken, die diese Leistungsgruppe anbieten, voraussichtlich auf 93 schrumpfen. Dies würde dazu führen, dass nur noch 94 Prozent der Bevölkerung innerhalb der definierten Fahrzeit versorgt werden können – eine Verdopplung der unterversorgten Menschen auf 686.252 Personen.

Durch die telemedizinische Aktivierung von 16 Klinikstandorten, darunter elf Level-1i-Krankenhäusern, könnte die Anzahl der Kliniken mit der Leistungsgruppe Allgemeine Innere Medizin auf 109 erhöht werden. Dies würde die Fahrzeit für 364.092 Personen verbessern und eine Verbesserung der Versorgungssituation für 3,28 Prozent der Bevölkerung bewirken. Die Studie zeigt, dass die negativen Auswirkungen der Krankenhausreform auf die Erreichbarkeit der Inneren Medizin durch Telemedizin fast vollständig ausgeglichen werden könnten – bei gleichzeitig geringerem Ressourcenbedarf im Vergleich zum aktuellen Stand.

Quelle: Robert Bosch Stiftung

Ergebnisse: Allgemeine Chirurgie

Ähnliche Ergebnisse zeigt die Analyse für die Allgemeine Chirurgie. Vor der Reform sind drei Prozent der Bevölkerung oder etwa 388.586 Menschen nicht in der Lage, innerhalb von 30 Minuten ein Krankenhaus mit diesem Leistungsangebot zu erreichen. Nach der Reform würde dieser Anteil auf acht Prozent oder 860.559 Menschen steigen – ein Anstieg von 471.973 Personen.

Im dritten Szenario wurden 18 Standorte, darunter neun sektorübergreifende Versorgungseinrichtungen, telemedizinisch aktiviert. Dadurch könnten 107 Kliniken diese Leistungsgruppe anbieten, was die Fahrtzeit für 420.071 Menschen verkürzen würde. Dies entspricht einer Verbesserung der Versorgungssituation für 3,78 Prozent der Bevölkerung und zeigt erneut, dass Telemedizin die Auswirkungen der Reform nahezu vollständig kompensieren kann.

Ein Blick auf das Potenzial der Telemedizin

Die Studie verdeutlicht, dass Telemedizin nicht nur Versorgungslücken schließen, sondern auch die Erfüllung von Qualitätskriterien in bereits gut versorgten Regionen unterstützen kann. Für unterversorgte Gebiete bietet sie die Möglichkeit, ressourcenschonend eine deutlich größere Bevölkerungsgruppe zu erreichen und so eine umfassendere Versorgung sicherzustellen.

Die Integration von Telemedizin in der stationären Versorgung ist somit nicht nur eine sinnvolle Ergänzung, sondern in vielen Fällen unerlässlich, um eine qualitativ hochwertige, flächendeckende Gesundheitsversorgung aufrechtzuerhalten. (Lesen Sie auch: Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Arztpraxis)

Fazit und Ausblick

„Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass Telemedizin ein fester Bestandteil in der Versorgung werden sollte, damit eine patientengerechte, wohnortnahe Behandlung auch in Zukunft möglich sein wird“, erklärt Mark Dominik Alscher, Geschäftsführer des Bosch Health Campus. Besonders in ländlichen Regionen wie dem mittleren und nördlichen Schwarzwald bietet Telemedizin eine Lösung, um die Erreichbarkeit von Krankenhäusern zu verbessern und gleichzeitig Ressourcen effizienter einzusetzen.

Das Potenzial, Versorgungslücken nahezu vollständig zu schließen und dabei Kosten zu senken, darf nicht ungenutzt bleiben. Telemedizin ist damit nicht nur eine Möglichkeit, die Herausforderungen der Krankenhausreform zu bewältigen, sondern auch ein zentraler Baustein für die Zukunft der Gesundheitsversorgung in Deutschland.

Quelle: Machbarkeitsstudie Telemedizin in Baden-Württemberg. Identifizierung von Versorgungsdefiziten in der stationären Versorgung und deren Lösungspotenziale in Baden-Württemberg. Im Auftrag des Bosch Health Campus, 2024