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Ärztemangel auf dem Lande – Ein Perspektivenwechsel

Die Klagen von Bürgermeistern, Praxis-Abgebern im fortgeschrittenem Alter, Medizinstudenten und KVen selbst sind meistens allgemein bekannt. Wie sieht jedoch die Perspektive der jungen Nachwuchsärzte selber aus? Mit welchen Argumenten, Wünschen und Ideen treten diese an das Thema heran? Wen adressieren Sie dabei?

Die jüngst gewählte Landesprecherin der organisierten Ärzteschaft (NAV-Virchow-Bund Baden Württemberg) Frau Dr. Szaszi hat am 13.2.2018 ihre Sicht der Dinge als aktive Landärztin bei DocCheck News unter dem Motto „Wir sind nicht käuflich“ postuliert. Sicherlich nicht nur lesens- und lobenswert, sondern auch wert auf einige Punkte beiläufig einzugehen:

Die vielen Förderprogramme, Landarztstipendien usw. sind tatsächlich wenig sinnvoll, sie heben sich aus Akteurssicht vor Ort in den Kommunen auf: An dieses „Geld“ kann jeder kommen. Sie sind aber typisch: Geld soll bekanntlich ja Alles regeln. Frau Dr. Szaszi listet aus eigener Erfahrung vorzüglich einige Elemente auf, welche die Generation Y bewegen und welche Vorstellungen vom Beruf, in diesem Falle des „Arztes auf dem Lande“, diese so hat. Dazu der Schrecken als Arzt finanzielle, sprich unternehmerische Risiken unvorbereitet eingehen zu sollen. Da gehört auch eine optimale Work-Life-Balance dazu, wer will die aber nicht in Zeiten von Arbeit 4.0 und 28-Stunden-Woche?
(Stichwort Generation Y)

Moderne Versorgungsstrukturen

Auch der Weg dazu wird mit dem Verweis auf größere Praxiseinheiten mit Filialen – genannt wird die Überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft (ÜBAG) – trefflich aufgezeigt. Auch der Verweis auf Koordination – gemeint ist hoffentlich damit eine effiziente Praxisorganisation und nicht Supervision, Monitoring und Weiterbildung, an denen es nicht mangelt. Da sollte aber nicht nur an reaktivierte Hausärzte gedacht werden. Vielmehr wäre dies ein gelungener Ansatzpunkt Abgeber-Ärzte bei Übergangslösungen mit ihren Kompetenzen und ihrem Patientenzugang effizient und effektiv einzubinden (win-win).

Die ÜBAG’s und MVZ sind beides übrigens – was man besser wirtschaftlich sinnvoll organisierte Mehrbehandlerpraxen (verteilt durchaus auf mehrere Standorte) nennen würde – im Prinzip das Gleiche, wenn auch der Begriff MVZ stationärseitig häufig anderweitig belegt wird (Stichwort Mehrbehandlerpraxis).

Dabei geht es auch bei Mehrbehandlerpraxen um viel mehr als „Flexibilität“ (eine typische Forderung der Generation Y), nämlich um Effizienzsteigerung und erhöhte Wirtschaftlichkeit: In den nächsten zehn bis zwölf Jahren muss jeder Hausarzt die Arbeit von zweien erledigen können. Das ist der primäre Zweck und das Ziel solcher Einheiten. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Einzelpraxis längst „überholt“ ist.

Mit Mehrbehandlerpraxen die sich u.a. durch delegative Strukturen auszeichnen, können auch die Praxissprechzeiten ausgedehnt werden. Ein Arztsitz entspricht dann z.B. 26 Öffnungsstunden. Unter delegative Strukturen fallen die sogenannten VERAH’s, versierte Praxisangestellte übernehmen Zug um Zug entsprechende Tätigkeiten von Ärzten. Dies muss bei weniger Praxen in weniger Orten auf dem Lande bei weniger Hausärzten auch geschehen. Es bleibt in den kommenden Jahren gar nichts anderes übrig: Es gibt einfach keine Nachwuchsärzte.

Unklar bleibt leider bei dem Statement wer der bzw. die Träger dieser Mehrbehandlerpraxen denn sein sollen. Länder, KVen, Krankenkassen und Kommunen (hier sollte man übrigens den Schwerpunkt sehen) „müssen“ – so der allgemeine Appell der Landärztin – „stärker zusammenarbeiten“ und die „Praxisgründung“ (wieso nicht Praxisübernahme, Praxis-Transformation in eine größere Einheit, Einstieg oder Beteiligung?) „finanziell unterstützen“.

Frage zum Schluss: Könnte man nicht noch weiteres zum Erkenntnisproblem beitragen? – Das wäre großartig. Die Ausführungen zum früheren Ansetzen für mehr Landärzte schließen den Reigen der trefflichen Bemerkungen der Virchow-Autorin.

Eine letzte Anmerkung aber bleibt: Die aufgelisteten Verbandsthemen sollten um die Aspekte Praxisorganisation/-management, delegative Strukturen, IT und Zukunftsfähigkeit der Praxen erweitert werden.

Hier geht es zur Publikation: Wie ist dem Ärztemangel auf dem Lande zu begegnen?