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Ärztemangel: Die Einzelpraxis als Auslaufmodell

Um Hausärzte nach Arzberg zu locken, müssen sich die Strukturen ändern. Denkbar ist sogar, dass die Stadt selbst Ärzte anstellt. Adrian Dostal erläutert im Stadtrat warum.

Arzberg – Nur darauf zu warten, bis irgendwann vielleicht einmal ein junger Arzt kommt, sich niederlässt und eine Praxis übernimmt, wird auf die Dauer nicht reichen. Wenn eine Kommune will, dass ihre Bürgerinnen und Bürger auch weiterhin im Ort zu einem Hausarzt gehen können, muss sie selbst das Heft in die Hand nehmen. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls Adrian W.T. Dostal, Geschäftsführer der Dostal & Partner Management-Beratung-GmbH. Am Dienstagabend erläuterte er dem Stadtrat, was Arzberg seiner Meinung nach unternehmen müsste, um die hausärztliche Versorgung weiterhin zu gewährleisten. Seit zehn Jahren werde das Phänomen Ärztemangel mit der Vorgabe einer „Eins-zu-eins-Nachbesetzung“ der Praxen definiert. Dies sei ein grundlegend falscher Ansatz. Dass es weiterhin Hausärzte in der Stadt gibt, sei nur mittels moderner Strukturen zu schaffen, betonte Dostal und untermauerte dies unter anderem mit zwei Zahlen: Die Nachbesetzungsrate bei Hausärzten betrage im Durchschnitt maximal 40%, auf dem Land sogar weniger als 25%. Ein weiterer Grund für den Hausärztemangel ist laut Dostal, dass immer mehr Frauen den Arztberuf ergreifen. 70% der Studierenden seien weiblich. Dies bedeute: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Angestelltenverhältnisse und Teilzeitarbeit müssten sichergestellt werden. Ärzte lassen sich nach den Erfahrungen Dostals heute weit später nieder als früher. Dies habe zur Folge, dass die Familien der Mediziner bereits gefestigt seien. Also müssten die Kommunen auch deren Bedarf abdecken.

Da die Vereinbarung des Kassenärztlichen Bundesverbands erlaube, 50% der Arbeiten an nicht-ärztliches-Personal zu delegieren, reichten weniger Ärzte aus, um in einer größeren und effizienteren Praxiseinheit zu arbeiten. „Die tradierte Einzelpraxis ist ein Auslaufmodell. Jemand muss sich um die Transformation vor Ort kümmern“, legte der Geschäftsführer den Mitgliedern des Stadtrats nahe. Dieser „Jemand“ könnte nach Einschätzung Dostals die Kommune sein, da sie für ihre Zukunftsentwicklung verantwortlich sei. In Planung sei, die Kommunen und die Kassenärztliche Vereinigung bei der ärztlichen Versorgung gleichzustellen. „Da ist Musik drin“, meinte der Berater. Mit „altbackenen Regelungen“ komme man nicht mehr weiter. Und sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel habe kürzlich in einer Diskussion gesagt, dass die Kommunen die Ärzte selbst anstellen sollten. Dies sei zwar noch nicht in den Pflichtaufgabenkatalog der Städte aufgenommen, laufe aber letztlich darauf hinaus. „Wir können nicht auf die Gesetzgeber warten. Es gibt auch Unternehmerbürgermeister und Unternehmerstadträte“, forderte Dostal das Gremium auf, selbst tätig zu werden. Konkret bedeuten könnte dies: Die Stadt stellt Ärzte an, baut möglicherweise ein Ärztehaus, mehrere Ärzte arbeiten zusammen. Der Stadtrat müsste das beschließen, die Dostal GmbH würde die Stadt beraten und den Prozess begleiten. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.

Ein Knackpunkt sind die Finanzen. „Was zahlt man für ihre Dienste? Und geben sie ein Erfolgsversprechen?“, wollte zum Beispiel CSU-Fraktionssprecher Roland Kastner wissen. Selbstverständlich antwortete der Manager in der öffentlichen Sitzung auf die Frage nach dem Preis nicht. Erfolg könne er nicht versprechen. Die Möglichkeit, dass sich junge Ärzte ansiedeln, schloss Dostal auf die entsprechende Frage von Drittem Bürgermeister Stefan Klaubert zu 80% aus. Der Trend gehe in die andere Richtung. Um die Strukturen attraktiver zu machen, sei es entscheidend, vor Ort Leute zu gewinnen, die mitmachen. Anderswo werde viel Geld in die Hand genommen. Die Entwicklung gehe Richtung Zusammenschluss von Ärzten, erläuterte Dostal auf Nachfrage von SPD-Sprecher Peter Graf. Hausarzt und UPW-Fraktionsvorsitzender Dr. Heinz Eschlwöch meinte, um ein Großmedizinisches Versorgungszentrum für junge Ärzte attraktiv zu machen, müsse die Kommune der Kostenträger sein. Dies müsse nicht zwangsläufig so sein, gab Dostal zu bedenken und brachte die Sparkasse und Raiffeisenbank als Träger und Geldgeber ins Spiel. Bürgermeister Stefan Göcking zog Bilanz: „Wir müssen uns entscheiden, ob wir abwarten oder selbst aktiv werden wollen. Aber ohne Hilfe von Außen werden wir es nicht schaffen.“ (Stichwort kommunale Aufgabe)

erschienen am 26.10.2017 in der Frankenpost / Autorin: Christl Schemm

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