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Ärztemangel: Geldspritzen bei hausärztlicher Unterversorgung

Förderung Ärztemangel

Förderung Ärztemangel

Gemeinden und Städte sollten die Fördermöglichkeiten bei Arztansiedelungen kennen und nutzen

Der Ärztemangel in Deutschland macht sich bemerkbar: Bis 2030 scheiden etwa die Hälfte der Hausärzte aus dem Berufsleben aus. In absoluten Zahlen ausgedrückt sind dies rund 10.000 Fachärzte für Allgemeinmedizin. Aktuell sind bereits rd. 2.700 Hausarztsitze bundesweit nicht nachbesetzbar. Der Rückgang der Nachfolgeärzte für eine Hausarztpraxis bedeutet, dass bundesweit gerade einmal jede zweite Hausarztpraxis einen 1:1-Nachfolger findet. Für Gemeinden in ländlichen Regionen liegt die Wahrscheinlichkeit einen Nachfolger für eine hausärztliche Einzelpraxis zu finden bei unter 25 %. In strukturschwachen Gegenden sind es noch deutlich weniger.

Der G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuss) spricht hier in seiner Empfehlung zur Änderung der Bedarfsplanungsrichtlinie bereits von einer Mindesterreichbarkeit einer hausärztlichen Praxis innerhalb von 20 PKW-Fahrzeitminuten. Vor dem Hintergrund einer immer älter werdenden Bevölkerung sowie vor der Diskussion einer Einschränkung des Individualverkehrs zu Gunsten des öffentlichen Nachverkehrs, eine Entwicklung die aufhorchen lässt.

Das Fehlen von Medizinern geschieht nicht plötzlich, sondern „Zug-um-Zug“, das Problem tritt lokal und regional differenziert auf. Es gibt Dank günstigerer Altersstrukturen der Hausärzte vor Ort aber auch eine Menge nicht betroffener Kommunen in diesem Zeitfenster. Für die übrigen zieht in den nächsten 3-4 Jahren nahezu unbemerkt eine Krise herauf. Als eine der Ursachen dieses (Hausärzte-) Mangels hatte der 77. Bayerische Ärztetag (BÄT) das bundesweite Zurückfahren der angebotenen Medizinstudienplätze auf nur mehr 10.750 identifiziert und gefordert diese wieder auf 17.000 – wie bereits vor etwa 25 Jahren – zu erhöhen.

Um ein Ausdünnen der grundversorgenden ambulanten Versorgung zu bremsen, bieten die 17 Kassenärztlichen Vereinigungen gewisse Fördermaßnahmen für von Unterversorgung betroffene Gemeinden oder Planungsbereiche an. Teilweise gelten die Fördermaßnahmen bereits für von Unterversorgung bedrohte Regionen. Im Folgenden sollen auszugsweise sechs KV-Förderprogramme dargestellt werden. Zu beachten ist dabei allerdings, dass die Förderungen ausschließlich den Ärzten zustehen (Ausnahme: Kommune als Arbeitgeber von Ärzten). Die Kommunen sind hier als Treiber, Moderator und Projektmanager gefragt.

KV-Förderungen unter der Lupe – Weiterbildungsförderung

Auf den Ärztemangel bei Allgemeinärzten und den grundversorgenden Fachärzten (z.B. Kinder- und Augenärzte) reagierten die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), der GKV-Spitzenverband (SpiBu) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) umgehend. Auf Basis des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes vom Juli 2015 (§ 75a SGB V) unterstützen die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und die Krankenkassen die ambulante Weiterbildung finanziell und strukturell. 

Bundesweit stehen 7.500 allgemeinmedizinische Weiterbildungsstellen für den ambulanten und stationären Bereich bereit. Dies sind 2.500 mehr als in den Jahren zuvor. Weitere 1.000 Stellen stehen erstmals für die Weiterbildung von Fachärzten anderer Fächer wie Augenheilkunde, Kinder- und Jugendmedizin oder Gynäkologie bereit. Welche Fächer das sind, legen die KVen gemeinsam mit den Krankenkassen vor Ort fest. So haben sie die Möglichkeit, Ärzte in den Fachgruppen weiterzubilden, die in der Region im ambulanten Bereich besonders benötigt werden. Eine Förderung in den entsprechenden Facharztgruppen erfolgt nur für solche Praxen, die überwiegend konservativ und nicht spezialisiert tätig sind.

Der monatliche Gehaltszuschuss für Ärzte in Weiterbildung beträgt im ambulanten Bereich je Vollzeitstelle 4.800 Euro. Der Förderbetrag orientiert sich an der im Krankenhaus üblichen Vergütung. Im Bereich der allgemeinmedizinischen Weiterbildung gibt es weitere Gehaltszuschüsse, wenn die weiterbildende Praxis in einem unterversorgten Gebiet (500 Euro) oder in einem von Unterversorgung bedrohten Gebiet liegt (250 Euro). (Lesen Sie auch: Gründung kommunaler Medizinischer Gesundheitszentren – Interview)

Die Förderbeträge werden von den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Kostenträgern jeweils hälftig getragen. Ausgezahlt werden sie als Zuschuss zum Bruttogehalt des Weiterzubildenden an den Praxisinhaber, der den Arzt in Weiterbildung beschäftigt. Gleichzeitig werden Kompetenzzentren für die allgemeinärztliche Weiterbildung gefördert. Dies soll die Qualität und Effizienz der Weiterbildung steigern. (https://www.kbv.de/html/themen_2861.php, Abruf 25.1.2020)

Niederlassungsförderungen

Eine gute Zusammenstellung der weiteren Förderungen bietet die Darstellung der ZuZ-Förderungen (Projekt „Ziel und Zukunft“, siehe Abbildung 1) der KV Baden-Württemberg (KVBW). Diese weist die Fördergebiete für die haus- und fachärztliche Versorgung nach einer Prüfung der besonderen lokalen Versorgungsdefizite aus. Hierfür werden die Ärzte in den betroffenen Regionen befragt, ob sie weitere Patienten aufnehmen und ihre Praxistätigkeit ausweiten können [Anm.: und wollen].

Fördergebiete können sowohl der gesamte Planungsbereich oder Landkreis sein (ZuZ-1 Förderung), als auch jeweils ausgewählte Kommunen (ZuZ-2/3 Förderung).

Abbildung 1: ZuZ-Förderung der KV Baden-Württemberg (Quelle: kvbawue.de, 25.1.2020)

Die KV Bayern (KVB) fördert im Rahmen einer festgestellten (drohenden) Unterversorgung im jeweiligen Planungsbereich (siehe Abbildung 2). D.h. im hausärztlichen Bereich basierend auf den Mittelbereiche und im grundversorgenden fachärztlichen Bereich basierend auf den Landkreisen oder Kreisregionen.

Generell sind zwischen beiden KVen leichte Unterschiede zu erkennen. So fördert z.B. die KVBW die Anstellung eines Arztes mit 2.000 monatlich für maximal drei Jahre. Additiv wird eine ggf. notwendige Umgestaltung der Praxis einmalig mit 5.000 Euro gefördert. Die KVB gewährt dagegen einen finanziellen Zuschuss von bis zu 4.000 Euro pro Quartal für zwei Jahre. Die Auszahlung der Förderung erfolgt quartalsweise.

Abbildung 2: Förderungen der KV Bayern (Quelle: kvb.de, Quelle: 25.1.2020)

Die KV Nordrhein (KVNO) konzentriert sich hingegen zunächst vor allem auf die Gruppe der Hausärzte. Grundlage für eine mögliche Förderung ist wie bei der KVB die (drohende) Unterversorgung im Mittelbereich. Auch die KVNO deckt die gesamten Förderungsbereiche ab. Unterschiede zu den beiden oben dargestellten KVen sind z.B. bei den Investitionskostenzuschüssen erkennbar (siehe Abbildung 3). Inwieweit sich die effektiv fließenden Zuschüsse zwischen den einzelnen KVen tatsächlich unterscheiden, wäre noch empirisch zu hinterfragen. Auffällig ist allerdings bereits jetzt die deutlich unterschiedliche Transparenz der Darstellung.

Abbildung 3: Investitionskostenzuschüsse der KV Nordrhein (Quelle: kvno.de, 25.1.2020)

Auch die KV Hessen (KVH) fördert im hausärztlichen Bereich auf Basis der Planungsbereiche. Eine Ansiedlungsförderung geht hier ggf. mit einer quotenunabhängigen Honorarumsatzgarantie für die ersten beiden Quartale einher. Neben den klassischen Förderbereichen benennt die KVH auch Unterstützungsleistungen so z.B. bei Umzug bzw. bei der Kinderbetreuung (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4: Förderungen der KV Hessen (Quelle: kvhessen.de, 25.1.2020)

Die KV Sachsen (KVS) priorisiert die Förderstellen in ihrer Darstellung deutlich. Bei bestehender Unterversorgung fließen bei Praxisneugründungen bzw. -übernahmen 100.000 Euro, bei drohender Unterversorgung 60.000 Euro. Wie die KVBW weist auch die KVS tlw. kleinteiligere Bezugsregionen (Kommunen) aus (siehe Abbildung 5).

Abbildung 5: Fördermaßnahmen für Hausärzte der KV Sachsen (kvs-sachsen.de, Abruf 25.1.2020)

Die KV Niedersachsen (KVN) setzt bei der Darstellung der unterschiedlichen Fördermöglichkeiten auf eine herunterladbare Broschüre und die persönliche Beratung (siehe Abbildung 6). Ausgewiesene Fördergebiete gibt es nicht. So ist z.B. laut Bedarfsplan Hausärzte keiner der Planungsbereiche (drohend) unterversorgt. Eine Förderung würde daher nicht greifen.

Dies ist erstaunlich, da laut KVN bereits im Mai 2019 355 Hausarztsitze nicht besetzt waren und dies vor allem im ländlichen Bereich. So startete die KVN auch ein umfassendes Paket zur Niederlassungsförderung. Dafür informiert ein Basisflyer über Beratungs- und Fördermöglichkeiten und macht auf die zahlreichen Seminare der KV aufmerksam. Sogenannte InfoCards sollen ziel­gruppen­spezifisch auf die Beratungsangebote der KV aufmerksam machen.

Abbildung 6: Förderbroschüre der KV Niedersachsen (Quelle: kvn.de, Abruf 25.1.2020)
Fazit

Aufgrund des Umfangs der möglichen Fördermaßnahmen der 17 Kassenärztlichen Vereinigungen erfolgte die Darstellung lediglich exemplarisch für die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Sachsen und Nordrhein-Westfalen (Hinweis: Das Bundesland Nordrhein-Westfalen ist unterteilt in die Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein und Westfalen-Lippe). (Lesen Sie auch: Ärzte folgen dem Geld, nicht den Kranken)

Wie eingangs erwähnt, sind die Förderungen im Kern identisch. Jedoch gibt es unter den dargestellten Fördermaßnahmen größere Unterschiede im Bereich des Fördergeldempfängers sowie in der Transparenz und Zugänglichkeit der Informationen. Gerade die deutlich passive Informationsbereitstellung einiger KVen beschränkt den Kreis derer, die Informationen erhalten und somit auch nutzen können, auf jene Personen, welche aktiv nach ihnen suchen. Dies bestätigt sich auch durch die Erfahrungen der Autoren durch Gespräche und Projekte mit kommunalen Entscheidern hinsichtlich der Sicherung der ärztlichen Versorgung. Die Wissenslücke bei kommunalen Entscheidern über die Fördermöglichkeiten ihrer zuständigen KV sind nachvollziehbarer teilweise sehr groß. Die Kenntnis der Fördermöglichkeiten würde für einige der betroffenen Kommunen, die sich aktiv um die Sicherung der ärztlichen Versorgung bemühen den gordischen Knoten zwischen den kommunalen Handlungsmöglichkeiten und der Notwendigkeit der Ansiedlungsförderung lösen bzw. zumindest lockern.

Hier geht es zur Studie: Lösung des Ärztemangels: Zahlen, Daten & Fakten. Eine Grundlagendarstellung.