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Der Dentalmarkt im Umbruch: Auf dem Land droht ein Zahnärztemangel

Zahnärztemangel Z-MVZ

Neues vom Zahnärzte-Markt: Vom Wachstum zahnmedizinischer MVZ und der Zunahme von angestellten Zahnärzten

Betrachtet man als Akteur im hausärztlichen Bereich die Entwicklung der Zahnarztdichte in Deutschland, kann man diese nur beneiden. Die Zahl der Einwohner pro behandelnden Zahnarzt nimmt stetig ab (siehe Abbildung 1, KZBV Jahrbuch 2020). Gleichzeitig sank von 2010 bis 2019 die Zahl der freiberuflich niedergelassenen Zahnärzte bundesweit um 5.831. D.h. auch hier ist – wie im humanärztlichen Bereich – eine deutliche Zunahme von größeren Praxiseinheiten mit angestellten Zahnärzten zu verzeichnen. So verdoppelte sich die Zahl angestellter Zahnärzte im Zeitraum 2010 bis 2019 (siehe Abbildung 2, KZBV Jahrbuch 2020). Gleichzeitig verdeckt diese (vordergründig) positive Gesamtentwicklung, dass sich ebenso wie im hausärztlichen Bereich, beim Thema Zahnarzt auf dem Lande, zunehmend erste Lücken auftun. Allerdings sind Zahnarzttermine mit Masse planbare Eingriffe und weniger akute Fälle wie beim Hausarztbesuch. Mit dadurch möglichen Vorausplanungen können regelmäßig auch längere Anfahrtswege besser organisiert werden. Auch hängt die Existenz von Apotheken am Ort weniger von Zahnärzten ab als von Haus- und Fachärzten. Jedoch ist der Investitionsbedarf bei Zahnarzt-Praxen deutlich höher als bei Hausärzten.

Abbildung 1
Abbildung 2

Problemverschärfend wirkt sich die Altersstruktur aus. 2017 waren 24 Prozent der freiberuflich tätigen Zahnärzte zwischen 55 und 64 Jahren alt, 10 Prozent waren bereits 65 Jahre und älter. Bis 2030 wird voraussichtlich jeder zweite Zahnarzt in den Ruhestand gehen. Es werden mehr Praxen aufgegeben als übernommen oder neu gegründet. In diesem Szenario sind die Praxen auf dem Land überproportional betroffen. Die Quote nicht nachbesetzter Kassenzahnarztsitze dürfte dann schätzungsweise bei 30 Prozent liegen. KZBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Wolfgang Eßer postulierte bereits 2018 in einem Handelsblatt-Interview: „dass die Kollegen im ländlichen Raum in allen Bundesländern heute sagen, dass ihre Praxen nicht mehr verkäuflich sind“. (Lesen Sie auch: Die Möglichkeit einer Z-MVZ-GmbH hat offensichtlich ein Ventil geöffnet – Interview)

Investoren lenken fast jedes vierte Zahnarzt-MVZ

Insbesondere die hohen Investitionen führten dazu, dass bundesweit Ende Juni 2020 bereits etwa 1.040 rein zahnärztliche Medizinische Versorgungszentren (Z-MVZ) zugelassen waren. Was die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) dabei mit Sorge betrachtet, ist der zunehmende Anteil von investorengetragenen MVZ (sogenannte I-MVZ). Gab es im Dezember 2015 lediglich zehn solcher I-MVZ, so waren es im März 2020 bereits 207. Von bundesweit rund 738 rein zahnärztlichen MVZ wird somit fast jede vierte Einrichtung (23 Prozent) von „Fremdinvestoren“ betrieben. Tendenz steigend.

Bayerns Zahnärzte-Chef Christian Berger sieht durch eine „Industrialisierung der Zahnmedizin“ eine eindeutig nachteilige Entwicklung für die Versorgung im ländlichen Raum. Fremdkapital-finanzierte Medizinische Versorgungszentren (I-MVZ) konzentrieren sich überwiegend auf die städtischen Ballungsräume. Ende 2019 existierten in Bayern 158 zahnmedizinischen MVZ, 68 hatten ihren Sitz in Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern, 63 in Städten zwischen 10.000 und 100.000 Einwohnern und nur 27 in kleineren Gemeinden.

Nach Einschätzung der KZBV werden solche I-MVZ vorwiegend in gut versorgten, urbanen Gegenden, in denen das Durchschnittseinkommen höher ist, eröffnet. Man denke daran, dass das Volumen der reinen Krankenkassenabrechnungen nur bei etwa einem knappen Drittel der Zahnarzt-Erlöse liegt. Das Vorhandensein einer zahlungskräftigen Patientenklientel steht somit im Mittelpunkt jeder Standortfrage. Nur sieben Prozent der I-MVZ sind derzeit an der Versorgung von ländlichen und strukturschwachen Regionen in Bayern beteiligt.

Damit leisten die I-MVZ, so der KZBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Wolfgang Eßer „so gut wie keinen Beitrag zur Patientenversorgung in Gebieten, in denen am ehesten Versorgungsengpässe und Unterversorgung drohen […] Die Aufrechterhaltung der flächendeckenden, wohnortnahen und qualitätsgesicherten Versorgung durch freiberuflich tätige, dem Gemeinwohl verpflichtende Zahnärztinnen und Zahnärzte wird mit dem Geschäftsmodell der Investoren auf Dauer gefährdet.“ (KZBV-Pressemeldung „Aktuelle Daten zeigen weiterhin dynamisches Wachstum“ vom 2. Juli 2020).

Allerdings musste der KZBV-Chef bei einer Sitzung des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages am 4. März 2020 einräumen, dass es im Zahnärzte-Bereich überhaupt „keine Bedarfsplanung“ wie bei der haus- und fachärztlichen Versorgung gibt. Auch ist das „Honorierungssystem der Zahnärzte […] völlig anders.“ Trotz dieser Planungs- und Steuerungslücke ist für die KZBV und die KZVen „die Sicherstellung einer flächendeckenden und wohnortnahen Versorgung ein schützenswertes Gut, dass es im Interesse bewährter Praxisformen und Patienten künftig unbedingt zu verteidigen gilt. Die gute Versorgung in Deutschland wird seit Jahrzehnten durch freiberuflich tätige Zahnärzte sichergestellt. […] Doch die Erfüllung des Sicherstellungsauftrages und freie Zahnarztwahl sind bedroht durch den ungehinderten Zustrom versorgungsfremder Investoren.“ (https://www.kzbv.de/zahnmedizinische-versorgungszentren.1280.de.html)

Fazit

Ein Ansatz für die Lösung den heraufziehenden Zahnarztmangel auf dem Lande ist tatsächlich, dass seit Februar 2019 niedergelassene Zahnärzte in Einzelpraxen oder Berufsausübungsgemeinschaften, mehr angestellte Zahnärzte beschäftigen dürfen: Seitdem können drei bzw. in Ausnahmefällen auch vier angestellte Zahnärzte je Vertragsarzt in Vollzeit oder entsprechend in Teilzeit tätig werden. Diese erweiterten Anstellungsmöglichkeiten unterstützen demnach auch Filialbildungen mit angestellten Zahnärzten auf dem Lande. Irgendwie ist einem dieser Lösungsansatz auch beim Hausärztemangel auf dem Lande schon begegnet und wird auch dort schon praktiziert. Bei bundesweit immerhin 72.589 behandelnd tätigen Zahnärzten müsste sich vor Ort für die betroffene Kommune eine Lösung finden lassen. (Lesen Sie auch: Der Dentalmarkt ist dem Hausarztsektor um Jahre voraus)

Doch ebenso wie im hausärztlichen Bereich geht hier selten bis kaum die Initiative von den Zahnärzten aus. Es fehlt häufig an Partnern vor Ort, um diese Transformation am Dentalmarkt zu begleiten. Beim parallel stattfindenden Hausärztemangel auf dem Lande wachsen bundesweit Kommunen stetig in ihre neue Unterstützer-Rolle hinein. Denn findet der niedergelassene Zahnarzt am Ort keinen Nachfolger, müssen die Patienten zwangsläufig in das nächstgrößere Zentrum mit Arztpraxen fahren. Dies wirkt sich nicht nur negativ auf den weichen Standortfaktor der Gemeinde aus, sondern zeitigt auch wirtschaftliche Effekte bei Einzelhandel und Gastronomie. Kommunaler Handlungsbedarf ist also gegeben.

Weitere informative Beiträge zu den Themen moderne medizinische Versorgung und Bewältigung des Ärztemangels finden Sie in unserem Magazin Impulse