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Flächendeckende hausärztliche Unterversorgung in Mecklenburg-Vorpommern

Ärztemangel an der Ostsee

In Mecklenburg-Vorpommern steht die bedarfsgerechte und wohnortnahe hausärztliche Versorgung der Bevölkerung auf dem Spiel. Obgleich das Gesundheitsministerium in Schwerin von einer bedarfsgerechten Versorgungslage spricht, geht die Kassenärztliche Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern (KVMV) selbst von einer nahezu flächendeckenden drohenden Unterversorgung aus. Wir sehen uns die aktuelle Situation daher genauer an. (Lesen Sie auch: Neustart beim Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz)

Der Schweriner Landtag rief 2020 eine Enquetekommission zur Zukunft der medizinischen Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern ins Leben. Thematisiert wurde u.a. die hausärztliche Versorgung. In der damaligen Stellungnahme der KVMV zum Fragenkatalog der Kommission hieß es bezüglich der Versorgungslage in Mecklenburg-Vorpommern, dass von 27 hausärztlichen Mittelbereichen „15 von einer […] in absehbarer Zeit drohenden Unterversorgung […] betroffen“ sind. Tatsächlich waren mit Stand Ende Oktober 2024 bereits 17 Mittelbereiche (drohend) unterversorgt. Wie viele Mittelbereiche davon bereits in der Unterversorgung liegen wurde hingegen leider nicht publiziert. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass mind. 5 Mittelbereiche vollständig unterversorgt sind.

Ende 2023 waren knapp 30 Prozent aller Hausärzte über 60 Jahre alt, bei den ambulant tätigen Fachärzten sind es knapp 24 Prozent gewesen. 400 von 1.200 niedergelassenen Hausärzten werden in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen. Im stationären Bereich wird in zehn Jahren rund ein Drittel der Ärztinnen und Ärzte in den Ruhestand gehen.

Versorgungsgrad und Bedarfsplanung

Die KVMV ist für die Bedarfsplanung der ambulanten haus- und fachärztlichen Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern verantwortlich. Um den Bedarf zu ermitteln, ist Mecklenburg-Vorpommern in 27 Mittelbereiche eingeteilt. Für jeden Planungsbereich ist eine sogenannte Soll-Zahl an Kassensitzen vorgeschrieben. Um die Versorgungslage vor Ort einschätzen zu können, wird dem Soll- der Ist-Zustand gegenübergestellt – der Versorgungsgrad ist das Ergebnis. Generell gilt: Eine Unterversorgung in einem Bereich liegt vor, wenn der Versorgungsgrad unter 75 Prozent fällt.

Die KVMV übt dabei selbst Kritik an der Bedarfsplanung und schrieb in ihrer Stellungnahme gegenüber der Enquetekommission, dass die 30 Jahre alten Maßstäbe der Bedarfsplanung, anhand derer eine Über- oder Unterversorgung festgestellt wird, „rein statistisch“ und „offensichtlich ungeeignet“ seien, um die tatsächlich notwendige medizinische Versorgung abzubilden. Damit könne man nicht den tatsächlichen medizinischen Bedarf der Bevölkerung ermitteln. Die KVMV fordert deshalb die Überarbeitung der Regelung. So solle etwa die Krankheitslast, der sogenannte Morbiditätsfaktor, Berücksichtigung finden. Ein Parameter, welcher vor allem angesichts einer immer älter werdenden Bevölkerung immer größere Relevanz besitzt. Dieser wurde zwar bereits 2019 bei den neuen Verhältniszahlen (Anzahl Ärzte pro Einwohner) berücksichtigt, die seit 2020 die Basis für die Soll-Planung darstellen, doch ändert dies an den tatsächlichen Arztzahlen zunächst wenig. 

Ein Ergebnis der Enquetekommission war die Erhöhung der Studienplätze an den beiden Universitäten Rostock und Greifswald für Humanmedizin in den kommenden Jahren um jeweils 25 Prozent. Beim Auswahlverfahren der Studierenden solle darüber hinaus sichergestellt werden, dass mindestens 50 Prozent aus Mecklenburg-Vorpommern kämen. Bislang reicht die Anzahl der Absolventen an den Universitäten des Landes nicht aus, um den bereits bestehenden und sich verschärfenden Mangel an Ärzten zu decken. Aufgrund des Fehlens attraktiver Praxisstrukturen und Anstellungsmöglichkeiten im ländlichen Raum im Flächenland Mecklenburg-Vorpommern, kann dieser Vorstoß lediglich eine Teillösung darstellen. 

Aktuelle Versorgungssituation im Überblick

Im Folgenden werfen wir einen Blick auf die 27 Mittelbereiche der hausärztlichen Versorgung zum Stichtag 28.09.2023. Stimmt die Relation von Ärzten und Patienten in einer Region mit der gesetzlichen Vorgabe überein, so beträgt der Versorgungsgrad genau 100 Prozent. Unter einem Versorgungsgrad von 75 Prozent (hausärztliche Versorgung) besteht i.d.R. eine Unterversorgung. Eine Überversorgung wird im Allgemeinen ab einem Versorgungsgrad von 110 Prozent ausgewiesen. Der Planungsbereich wird dann für Neuzulassungen gesperrt.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass mit Stand 28.09.2023:

  • 7 Mittelbereiche aller Wahrscheinlichkeit nach in der Unterversorgung lagen, dies entsprach einem Anteil von 26%. 
  • 10 der 27 Mittelbereiche als drohend unterversorgt galten (37 %), 
  • nurmehr 10 von 27 hausärztlichen Mittelbereichen (37 %) innerhalb der Regelversorgung lagen,  5 davon waren vollversorgt (gesperrt für Neuzulassungen)
  • in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt 83 Hausarztsitze unbesetzt waren.
Ärztemangel Mecklenburg-Vorpommern
Quelle: KV Mecklenburg-Vorpommern, eigene Darstellung

Mecklenburg-Vorpommern steht damit vor ähnlichen Problemen wie der Rest der Republik, doch dürften die Herausforderungen vor allem aufgrund der demografischen Entwicklung (Abwanderung) und der Tatsache, dass Mecklenburg-Vorpommern ein Flächenland ist, deutlich schwerwiegender sein. Kommunale Initiativen sind bisher lediglich spärlich gesät, dabei bedarf es dringender Unterstützungsleistungen, um die Transformation der ambulanten Versorgung im ländlichen Raum zielführend anzustoßen und zu begleiten. Die oftmals in anderen Bundesländern anzutreffenden  Investoren, welche MVZ (sogn. iMVZ) etablieren, findet man aufgrund externer Einflussfaktoren (geringere Anzahl Privatversicherter, demografische Entwicklung einschl. Abwanderung) in Mecklenburg-Vorpommern im Bundesvergleich ebenfalls deutlich seltener. So weist das Bundesland beispielsweise kein einziges zahnmedizinisches MVZ vor. Der Ball verbleibt somit in der Spielhälfte der Kommunen, will man der Bevölkerung eine ausreichende und zukunftsfeste ärztliche Primärversorgung bieten. (Lesen Sie auch: Hausärztemangel in Nordrhein-Westfalen)