GVSG kommunale MVZ Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz
Update zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG)
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Ambulantisierungspotenzial in deutschen Kliniken
6. Juni 2024

Landarztquote teilweise weniger erfolgreich als erwartet

Landarztquote Überblick Bundesländer

Aus der im „Masterplan Medizinstudium 2020“ vom März 2017 durch eine Bund-Länder-Konferenz festgeschriebenen geplanten “Stärkung der Allgemeinmedizin” resultierte die sogenannte „Landarztquote”, die es den Ländern ermöglichte Anreize für die Niederlassung von jungen Allgemeinmedizinern im ländlichen Raum zu schaffen. Eine „Landarztquote“ erhöht jedoch nicht das Studienangebot im Bereich der Humanmedizin, sondern soll zielgenauer wirken. Der Umfang des Studienplatzangebotes bleibt zunächst so wie er ist. Man erinnert sich: Das Studienangebot wurde in den 1980er/1990er Jahre in den Landesparlamenten von seinerzeit etwa 17.400 in den alten Bundesländern auf mittlerweile etwa 11.750 in Gesamtdeutschland reduziert. In den letzten zwei bis drei Jahren wurde dieses Angebot in mehreren Bundesländern hunderterweise erhöht. (Anm.: Im neuen Entwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes – GVSG – wurde das geplante Förderprogramm für zusätzliche Medizinstudienplätze wieder gestrichen.)

Grundsätzlich „schließt“ die „Landarztquote“ nach vielen Jahrzehnten eine „Regelungslücke“, da man wg. der grundgesetzlich garantierten Berufs- und Niederlassungsfreiheit keinem Arzt einen bestimmten Ort zur Berufsausübung zuweisen darf. Bei Lehrkräften weiß man allerdings, dass man den Beruf nur an den Orten ausüben kann, an dem es auch eine entsprechende Schule gibt. Das gleiche gilt im Prinzip auch für Soldaten, Polizisten, Notare, Professoren oder auch Bezirkskaminkehrermeister. Wo keine Kaserne, keine Polizeiinspektion, kein freiwerdender Notar- oder Bezirkskaminkehrermeister-Sitz und eine Universitäts- oder Hochschulinfrastruktur ist, kann man zwar wohnen aber nicht im betreffenden Beruf arbeiten. 

Landarztquote – was ist das?

Was beinhaltet der „Masterplan Medizinstudium 2020“? Die Länder können diesem zufolge bis zu zehn Prozent der Medizinstudienplätze vorab an Bewerber oder Bewerberinnen vergeben, die sich verpflichten, nach Abschluss des Studiums und der fachärztlichen Weiterbildung in der Allgemeinmedizin für bis zu zehn Jahre in der hausärztlichen Versorgung in unterversorgten bzw. von Unterversorgung bedrohten ländlichen Regionen tätig zu sein. Zudem sollen Studierende besser über die Möglichkeiten informiert werden, ganze Ausbildungsabschnitte im ländlichen Raum abzuleisten sowie über hierzu abrufbaren finanziellen Förderungen. Dies ergänzt die Maßnahmen, die mit dem Versorgungsstärkungsgesetz bereits auf den Weg gebracht wurden, wie z.B. gezielte finanzielle Anreize, die Kassenärztliche Vereinigungen über Strukturfonds zur Niederlassung im ländlichen Raum setzen können.

Auch zählen für die Zulassung nicht mehr nur gute Noten (nicht zu verwechseln mit guter Eignung), sondern es verpflichten sich im Idealfall Menschen, die wirklich Landärzte werden wollen. Soziale Faktoren, aber auch analytisches Denken, kommen beim Auswahlverfahren stärker zum Tragen. Landärzte lernen ihre Patienten über Jahre kennen, in der Stadt und in der Klinik sieht man sie in der Regel nur kurz und selten mehr als einmal. Für viele Mediziner ist dies ein reizvolles Berufsbild.

Bundeseinheitlich ist die vertragliche Verpflichtung für zehn Jahre in einer unterversorgten Region hausärztlich tätig zu sein. Wer den Vertrag nach dem Medizinstudium und (in) der Facharztweiterbildung nicht erfüllt, muss mit bundesweit einheitlichen Strafzahlungen von bis zu 250.000 Euro rechnen.

Nordrhein-Westfalen war das erste Bundesland, welches die Landarztquote einführte. Grundlage ist das „Gesetz zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung in Bereichen besonderen öffentlichen Bedarfs des Landes Nordrhein-Westfalen (Landarztgesetz Nordrhein-Westfalen – LAG NRW)“ vom 18. Dezember 2018.

Die Landarztquoten im Überblick

Quelle: eigene Darstellung, Stand April 2024

Die in der Tabelle ausgewiesenen Werte sind nicht als absolut zu verstehen, da die exakte Anzahl der Medizinstudienplätze von Semester zu Semester schwanken kann. Darüber hinaus wird die landesspezifische Landarztquote häufig nicht vollumfänglich ausgeschöpft, da Bewerberinnen und Bewerber sich trotz positiven Bescheides, schlussendlich nicht immatrikulieren.

Kritik und Ausblick

Das Konzept der Landarztquote wurde von Anfang an von einigen Akteuren kritisiert: So hat sich beispielsweise der Marburger Bund, als größter deutscher Ärzteverband, auf seiner 134. Hauptversammlung im November 2018 mehrheitlich kritisch gegen die Einführung einer Landarztquote ausgesprochen. Auch die Sächsische Landesärztekammer (SLÄK) hat bereits in einer Kammerversammlung im Jahr 2016 ein klares “Nein” zur Landarztquote formuliert: “Die Verpflichtung, später auf dem Land zu arbeiten, verlangt Medizinstudierenden bereits zu einem frühen Zeitpunkt weitreichende Entscheidungen ab, schon bevor der medizinische Nachwuchs einen realistischen Einblick in die ärztliche Tätigkeit gewinnen kann. Dies ist weder im Sinne der künftigen Ärzte noch im Sinne der Patienten.” Stattdessen forderte die SLÄK eine Erhöhung der Anzahl der Studienplätze und formuliert, es müssten andere Anreize geschaffen werden, junge Ärzte in die ländlichen Gebiete zu “locken”. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass sich Engpässe in der Versorgung nicht nur bei Hausärzten auf dem Land abzeichnen und spürbar werden, sondern auch Kliniken im ländlichen Raum bzw. einige Facharztdisziplinen sogar in manchen Stadtteilen schwer zu besetzen sind. 

Auch der größte Nachteil der Landarztquote lag rasch auf der Hand und wurde seinerzeit auch formuliert: Akut ändert sich erstmal überhaupt nichts. In Deutschland fehlen nach Berechnungen der Kassenärztlichen Vereinigungen der Bundesländer aktuell knapp 6.000 Hausärzte. Über die Quote wird dieses Problem – wenn überhaupt – frühestens in zehn Jahren bekämpft werden können, es sind also weitere Instrumente, die unmittelbarer wirken, notwendig. Ebenfalls problematisch ist der Umstand, dass man sich bei 10-11 Jahren Ausbildung plus 10 Jahre Bindung für mindestens 20 Jahre einem Weg verpflichtet – und zwar direkt nach dem Abitur. 

Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie viele zusätzliche Landärzte durch die Quoten-Regelung wirklich generiert werden können, bedenkt man, dass Medizinstudierende, welche sich bereits früher nach Approbation für eine Landarzt-Tätigkeit entschieden haben, nunmehr über die Quote studieren könnten.

Medizin – ein kostenintensiver Studiengang

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts belaufen sich die Kosten (Grundmittel) jedes einzelnen Medizin-Studienplatzes auf rd. 30.000 Euro jährlich. Zum Vergleich: Bei den Juristen und Sozialwissenschaftlern liegen die Kosten bei knapp 4.500 Euro pro Studierendem im Jahr. Die geplante Ausweitung des Studienplatzangebotes wurde wohl vorerst aus dem Entwurf zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG Teil 1) gestrichen.

Zwischenfazit

In Bayern betrachtet man die Quote seit der Einführung zum Wintersemester 2020/2021 als einen großen Erfolg. In Bayern gibt es seit Einführung stets mehr Bewerberinnen und Bewerber als Studienplätze. Im Durchschnitt konnten in inzwischen vier Zulassungsverfahren (Stand Ende 2023) jährlich 115 Studienplätze im Fach Medizin vergeben werden.

In Sachsen, das genau wie Bayern viele ländliche Regionen aufweist, wird das Programm ebenfalls als Erfolg gewertet. Das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt bezeichnet die 40 Studienplätze für Medizin, die dieses Jahr über die Sächsische „Landarztquote“ vergeben wurden, als „begehrt“. Die Anzahl der Bewerberinnen und Bewerber hat sich im Vergleich zum Vorjahr beinahe verdoppelt, nämlich auf 119 Interessierte.

Auch im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen, zeigt man sich mit der Anzahl von Bewerberinnen und Bewerbern zufrieden. Für das letzte abgeschlossene Verfahren zum Wintersemester 2023/2024 kamen 394 Bewerbungen auf 154 Studienplätze. 

Im Flächenland Niedersachsen bleibt das Interesse hingegen deutlich hinter den Erwartungen zurück. Im Gesetzentwurf von 2021 hatten SPD und CDU mit 600 Bewerbungen pro Jahr gerechnet – tatsächlich gingen für den ersten Jahrgang allerdings nur 299 Bewerbungen ein, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. In der diesjährigen Bewerbungsphase war die Nachfrage noch geringer. Von Anfang bis Ende März 2024 haben sich 278 potenzielle Landärzte für das Wintersemester 2024/25 und das Sommersemester 2025 beworben

Von den 60 in Niedersachsen zugelassenen Bewerberinnen und Bewerbern haben sich letztendlich nur 46 eingeschrieben, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. Der Hausärzteverband in Niedersachsen hatte im vergangenen September gefordert, die Zahl der via Quote reservierten Studienplätze von 60 auf 120 zu erhöhen. Angesichts der schlussendlich geringen Inanspruchnahme der bereits etablierten 60 Medizinstudienplätze über die Landarztquote, erscheint diese Ausweitung zunächst wenig vielversprechend. (Lesen Sie auch: Unzufriedenheit niedergelassener Ärzte nimmt dramatisch zu)

Das Ministerium betonte dabei, dass die Landarztquote ein wichtiger Baustein bei der perspektivischen Eindämmung des Ärztemangels in der Fläche sein könnte. „Gleichwohl ist dieses Instrument kein Zauberstab, mit dem sich alle strukturellen Probleme weghexen lassen“, sagte ein Sprecher.

Ausblick

Nach aktuellen Berechnungen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) fehlen in Deutschland jährlich durchschnittlich fast 2.500 ärztliche Nachbesetzungen, um die derzeitige medizinische Versorgungsleistung bis 2040 aufrechtzuerhalten. Von 2022 bis 2040 würden damit kumuliert rund 50.000 Ärztinnen und Ärzte fehlen, um die derzeit 73 Millionen gesetzlich Versicherten auf dem gewohnt hohen medizinischen Niveau versorgen zu können. Ohne Berücksichtigung der Zuwanderung von Ärztinnen und Ärzten aus dem Ausland droht bis 2040 ein allmähliches Absinken des vertragsärztlichen Versorgungsgrads auf dann nur noch 74 Prozent des heutigen Niveaus. (Lesen Sie auch: Bis 2030 fehlen 50.000 Ärztinnen und Ärzte in Deutschland)

Vor diesem Hintergrund können die Landarztquoten nur einen marginalen Beitrag leisten. Vielmehr muss es um die erfolgreiche Transformation der ambulanten Versorgung im ländlichen Raum weg von der Ein-Personen-Praxis hin zu effizienteren und größeren Berufsausübungsformen und Netzwerken gehen. (Lesen Sie auch: Wir feiern die Gründung des jüngsten kommunalen MVZ – Interview mit dem Bürgermeister der Gemeinde Klettgau)