Ärztemangel Thüringen
Ärztliche Versorgung in Thüringen im Überblick
7. April 2024

Update zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG)

GVSG kommunale MVZ Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz

Gesetzgeber plant weiterhin deutliche Erleichterungen bei der Gründung kommunaler MVZ in der Rechtsform einer GmbH

In einem aktuellen Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) für ein Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune (Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz, GVSG), fehlen die im ersten Entwurf vom Sommer letzten Jahres enthaltenen Punkte zu den Gesundheitskiosken, den Gesundheitsregionen sowie zu den Primärversorgungszentren. Auch die zunächst geplanten Regelungen zum Ausbau der Medizinstudienplätze stehen offenbar auf der Kippe. (Lesen Sie auch: Dachverband der Betriebskrankenkassen sieht in Primärversorgungszentren die Zukunft)

In einem früheren Entwurf hieß es dazu, der Gesetzentwurf ziele darauf ab, die Gesundheitsversorgung vor Ort in den Kommunen zu stärken. Diese sollten mehr Möglichkeiten erhalten, „auf die vor Ort bestehenden Bedarfe im Hinblick auf die Gesundheitsversorgung zu reagieren“.

So sollten beispielsweise niedrigschwellige Beratungsangebote in sogenannten Gesundheitskiosken angeboten werden. Zudem sollten Kommunen und Krankenkassen die Möglichkeit erhalten, Gesundheitsregionen zu bilden – diese sollten „regionale Defizite der Gesundheitsförderung und Prävention sowie der Versorgung“ beheben helfen. Diese Punkte wurden aus dem aktualisierten Gesetzentwurf komplett gestrichen, ebenso wie die Primärversorgungszentren. 

Mit Blick auf die (kostspielige) Etablierung von Gesundheitskiosken in der Fläche, sei noch wissenschaftliche Vorarbeit nötig, um den Nutzen eindeutig darzulegen, hieß es dazu aus den Reihen der FDP. Die Gesundheitskioske könnten schlussendlich in den Entwurf wieder aufgenommen werden, betonte das BMG. 

Ebenfalls mit Blick auf die Kosten für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) fehlt im aktuellen GVSG-Entwurf auch das vom BMG erarbeitete Konstrukt zur Förderung der Studienplatzkapazitäten in der Humanmedizin. Die vom BMG selbst auf einen jährlichen dreistelligen Millionenbetrag geschätzten Kosten hätten, wie auch die oben genannten Maßnahmen, laut den Planungen von den Gesetzlichen Krankenversicherungen getragen werden sollen.

Hingegen weiterhin im GVSG enthalten sind die vorgesehenen Maßnahmen zur Stärkung der hausärztlichen Versorgung durch kommunale MVZ und die Entbudgetierung für diesen Bereich, die jährliche Versorgungspauschale für Chroniker sowie eine unter bestimmten Bedingungen greifende Vorhaltepauschale.

kommunale MVZ

„Darüber hinaus zielt der Gesetzentwurf darauf ab, die Gründung medizinischer Versorgungszentren (MVZ) durch Kommunen zu erleichtern und diese damit noch besser in die Lage zu versetzen, eine starke lokale Versorgungsinfrastruktur aufzubauen“, so heißt es weiterhin in der Präambel zum Gesetzesentwurf. 

Und weiter: „Die Gründung von MVZ durch Kommunen wird erleichtert. Der Gesetzentwurf sieht hierfür für die Zulassung eines MVZ in der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) die Möglichkeit vor, die gesetzlich vorgesehenen Sicherheitsleistungen der Höhe nach zu begrenzen. Darüber hinaus wird klargestellt, dass die Verwendung von Mitteln des Strukturfonds zur Förderung der vertragsärztlichen Versorgung nicht von der Feststellung einer Unterversorgung oder eines zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarfs abhängt.“ (Lesen Sie auch: Gesetzgeber plant deutliche Erleichterungen bei der Gründung kommunaler MVZ)

Die Deckelung der Sicherheitsleistungen und damit das Vermeiden der teuren Bankbürgschaft durch die jährliche Bereitstellungsgebühr gibt den Kommunen die Möglichkeit, hier selbst als Bürge aufzutreten. Die Höhe der Bürgschaft wird von den 17 Kassenärztlichen Vereinigungen bisher deutlich unterschiedlich gehandhabt. Sie reicht bei der Gründung eines kommunalen MVZ mit zwei Hausärzten von wenigen 100.000 EUR bis zu knapp 4 Mio. EUR. Hierzu heißt es im Entwurf fern:

„Die Gesellschafter können, ihre Sicherheitsleistungen der Höhe nach begrenzen. Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen vereinbaren jeweils mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit Wirkung zum … [einsetzen: Datum des ersten Tages des sechsten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats] bundeseinheitliche Rahmenvorgaben zur Festlegung der Höhe der gemäß Satz 7 begrenzten Sicherheitsleistungen.“ 

Die vorgesehene Entkoppelung der Leistungen aus dem Strukturfonds von der bestehenden oder drohenden Unterversorgung hilft vielen kleinen Kommunen, die in ungünstig geschnittenen Mittelbereichen mit starken Zentren liegen. Diese können damit die notwendigen finanziellen und inhaltlichen Förderungen abschöpfen. In Bezug auf kommunale MVZ ist bereits aktuell eine deutlich steigende Dynamik zu erkennen, diese wird durch das GVSG weiter zunehmen.

Entbudgetierung in der hausärztlichen Versorgung

„Mit dem Ziel, die hausärztliche Versorgung zu stärken und auch künftig flächendeckend zu gewährleisten, wird zudem die Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit in der allgemeinen hausärztlichen Versorgung dauerhaft finanziell attraktiver ausgestaltet und die Hausarztpraxen zugleich von medizinisch nicht notwendigen Arzt-Patienten-Kontakten entlastet“, so die im Referentenentwurf formulierte Zielsetzung. Diese Stärkung soll u.a. durch die Entbudgetierung und sogenannte jahresbezogene Versorgungspauschalen erfolgen. Leistungen der allgemeinen hausärztlichen Versorgung sollen demnach von mengenbegrenzenden oder honorarmindernden Maßnahmen ausgenommen werden. Somit werden alle Leistungen der allgemeinen hausärztlichen Versorgung, die im dritten Kapitel des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) abgebildet sind, sowie hausärztlich durchgeführte Hausbesuche, die nach Kapitel 1.4 des EBM abrechenbar sind, von den Krankenkassen in voller Höhe vergütet werden.

Diese Entbudgetierung kritisiert der Verband der Ersatzkassen e.V (vdek) gerade mit Blick auf den gleichzeitigen Wegfall der Primärversorgungszentren: „Auf den Prüfstand gestellt werden muss auch die vollständige Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen. Statt hier Versichertengelder mit der Gießkanne auszuschütten, brauchen wir insbesondere für ländliche Regionen zielgenaue, vernetzte Lösungen. Bedauerlich ist daher, dass gerade die Primärversorgungszentren wieder aus dem Gesetzentwurf gestrichen wurden. Diese sind mit dem Ersatzkassenvorschlag für Regionale Gesundheitszentren (RGZ) vergleichbar. Stattdessen wird der Bonus für die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung nur die Kosten erhöhen, ohne dass die Versorgung verbessert wird.“

Zudem soll der Bewertungsausschuss beauftragt werden, abweichend von der derzeitigen quartalsabhängigen Versichertenpauschale für die kontinuierliche Versorgung chronisch kranker Patientinnen und Patienten eine jahresbezogene Versorgungspauschale im EBM zu beschließen. Damit sollen dem BMG zufolge unnötige Arzt-/Praxis-Patienten-Kontakte vermieden und gleichzeitig eine angemessene Honorierung der hausärztlichen Leistungen gewährleistet werden. 

Zusätzlich zur jahresbezogenen Versorgungspauschale soll der Bewertungsausschuss eine Vorhaltevergütung für die hausärztliche Grundversorgung beschließen. Zu den vom Bewertungsausschuss festzulegenden Kriterien sollen unter anderem eine Mindestanzahl von 450 zu versorgenden Patienten je Arzt und je Quartal, eine „bedarfsorientierte Erbringung“ von Haus- und Pflegeheimbesuchen sowie „bedarfsgerechte Praxisöffnungszeiten, die regelmäßige monatliche Abendsprechstunden und ein ergänzendes Angebot an Samstagssprechstunden“ umfassen, gehören. 

Regresse

Für eine immense Entlastung von haus- und fachärztlichen Praxen dürfte das Anheben der Bagatellgrenze für Wirtschaftlichkeitsprüfungen und Regresse seitens der KVen von derzeit 50 EUR auf geplant 300 EUR sorgen. Das BMG geht davon aus, dass mit einer solchen Regelung rund 70 Prozent der jährlich durchgeführten Prüfverfahren entfallen werden – im Jahr 2022 waren dies rund 47 000 Verfahren. Hierzu heißt es im Referentenentwurf: „Durch die Vorgabe zur Festlegung einer Geringfügigkeitsgrenze im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfungen ärztlich verordneter Leistungen werden Vertragsärztinnen und Vertragsärzte entlastet und Bürokratie abgebaut. 

Ausblick

Bedauerlich erscheint die Streichung von Primärversorgungszentren aus dem Entwurf. Der Gesetzgeber machte damit ursprünglich deutlich, dass er die im ambulanten und stationären Gesundheitswesen stattfindende Transformation in seiner vollen Bedeutung für die Sicherstellung einer flächendeckenden und bedarfsgerechten Versorgung erkannt hat. Doch wäre mit dem Gesetzesentwurf in der derzeitigen Fassung ein erster wichtiger Schritt getan. 

Dies zumal sich bereits im März diesen Jahres der GKV-Spitzenverband, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Kassenärztliche Bundesvereinigung auf eine Erweiterung des Leistungskatalogs der speziellen sektorgleichen Vergütung – die sogenannten Hybrid-DRGs – ab dem 1. Januar 2025 verständigt haben. Die hier festgelegten 94 zusätzlichen operativen Prozeduren, die künftig auch ambulant erbracht werden können, sollten gerade in ländlichen Regionen die negativen Auswirkungen des Rückzugs der stationären Versorgung abschwächen. (Lesen Sie auch: Wir feiern die Gründung des jüngsten kommunalen MVZ – Interview mit dem Bürgermeister der Gemeinde Klettgau)

Den vollständigen Entwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz in seiner aktuellen Fassung können Sie hier einsehen.

Quellen: Referentenentwurf BMG i.d.F.v. 12.04.2024; Deutsches Ärzteblatt, Pressemitteilung 121(7); kkdirekt.de, Pressemitteilung vdek, 15.04.2024; kkdirekt.de, Pressemitteilung SpiBu, 28.03.2024