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Spitze des Eisbergs? Wie Softwareanbieter die Folgen des Ärztemangels verschärfen

Die Mitteilung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 15. März 2018 lässt den am Thema Interessierten aufhorchen. So existieren nicht weniger als 174 verschiedene Praxisverwaltungssysteme (PVS) für niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten bei der Organisation und Dokumentation der Praxisaufgaben. Alle Abläufe einer Einzelpraxis, einer Gemeinschaftspraxis, aber auch eines Medizinischen Versorgungszentrums können damit digital abgebildet werden. Die regelmäßigen Updates, die zwangsweise jeweils nach neuen oder geänderten Dokumentations-, Abrechnungs- oder auch Datenschutzvorschriften aufgespielt werden müssen, basieren dabei auf der Basis-Software. Man kann sich vorstellen, welcher personelle und kostenseitige Aufwand bei 174 verschiedenen Systemen hier entsteht. Zum Vergleich: Die Anzahl der Anbieter von Krankenhaus-Informationssystemen (KIS) pendelt sich mittlerweile bei viel komplexeren Produkten bei einem Dutzend ein.

Die Hürden für einen PVS-Wechsel sollen gesenkt werden

Vertragsärzte sollen ihre Verordnungssoftware ab Mitte 2020 leichter wechseln können. Die KBV dazu:

„Derzeit müssen Ärzte auf ein anderes PVS umstellen, wenn die eingebaute Verordnungsfunktion nicht ihren Ansprüchen genügt oder zu teuer ist. Doch ein Wechsel sei äußerst aufwendig […]. Dadurch seien Ärzte praktisch gezwungen, bei der ursprünglich angebotenen Software zu bleiben. Künftig wird es möglich sein, die Verordnungsfunktionalität auszutauschen und den Rest des Praxisverwaltungssystems beizubehalten. Grundlage dafür ist eine einheitliche technische Schnittstelle. Damit sei der Arzt unabhängig und könne sich die Verordnungssoftware aussuchen, die ihm und seiner Praxis am besten zusage […].“

„Auf Drängen der KBV hat der Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, dass die KBV für die niedergelassenen Ärzte solche Schnittstellen definieren darf. […] Dies sei ein Paradigmenwechsel und ein erster Schritt in die richtige Richtung […]. (Die KBV, Anm.) erinnerte daran, dass selbst kleine Gesetzesänderungen dazu führten, dass Softwarehersteller den Praxen häufig nicht ganz kostengünstige Softwarelösungen anbieten würden. Die Ärzte seien dann verpflichtet, diese zu übernehmen […]. Ein Beispiel dafür sei der bundeseinheitliche Medikationsplan gewesen, der in die Praxissoftware integriert werden musste.“

Ärztemangel: Deutliche Effizienzsteigerung notwendig

Soweit die KBV. Einige Ergebnisse, welche ein Schlaglicht auf die Effizienz in Arztpraxen werfen: 36,4 Prozent der niedergelassenen Ärzte würden am liebsten per E-Mail in sicherer Umgebung kommunizieren, 21,5 Prozent über ein IT-System, welches sich idealerweise ins Arztinformationssystem integrieren ließe. Fast 60 Prozent der niedergelassenen Ärzte kommunizieren tatsächlich aber noch per Brief. Der damit einhergehende ineffiziente Berufsalltag der Niedergelassenen wird noch dadurch erhöht, dass über 80 Prozent der Klinikärzte diesen Kommunikationsweg im Zeitalter von Industrie 4.0 und Digitalisierung nutzen (Stichwort: Effizienzsteigerung). Und was aus Sicht des Landarztmangels zu ergänzen ist: Ärztliche und administrative Ressourcen werden mit solchen Anachronismen weiterhin verschwendet, obwohl 50 bis 60 Prozent der hausärztlichen Nachrücker-Ärzte in den nächsten Jahren fehlen werden. Vor diesem Hintergrund dazu mehrere Fragen zur Spitze eines „Eisbergs“:

Wird durch das „Auslauf-Modell“ Einzelpraxis – beginnend auf dem Lande – der PVS-Markt in Bewegung kommen? Kommt es zu einer weiteren Marktkonzentration? Die Compuserve-Gruppe hält heute bereits einen 50 Prozent-Anteil mit zahlreichen unterschiedlichen Praxisverwaltungssystemen. Bringt diese Marktkonzentration auch eine deutliche Reduzierung der Anzahl der Praxisverwaltungssysteme mit sich bzw. zumindest eine Kompatibilität der Zusatzmodule? Wird die Praxis-IT endlich ihren Beitrag zu mehr Versorgungseffizienz durch moderne Praxisabläufe leisten und die Ressource „Arzt“ dadurch besser nutzbar machen? Wie wird sich zu dieser Problematik die Generation Y wirksam einbringen (Stichwort Generation Y)? Greift dazu der Gesetzgeber im Gemeinwohlinteresse ein, um u.a. „Knebelverträge“ auszuschließen, den PVS-Anbieterwechsel zu erleichtern und damit endlich zu einer GKV-Standardisierung im Bereich Praxisverwaltungssysteme zu kommen?

Hier geht es zur Publikation: Wie ist dem Ärztemangel auf dem Lande zu begegnen?