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Ärztemangel in Deutschland: Die Verteilung ist das Problem

Ineffiziente Ressourcennutzung und flotte Forderungen von Politikern nach mehr Studienplätzen für Allgemeinmedizin haben Konjunktur, um den vermeintlichen Ärztemangel hierzulande zu lindern. So fordert Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Laumann mehr Ausbildungsplätze für Allgemeinmedizin an den Fakultäten in Essen und Bochum (Quelle: Westfalenblatt 5. Juni 2018), auch Niedersachsen-Ministerpräsident Weil will 200 neue Medizin-Studienplätzen in seinem Bundesland schaffen (Quelle: Hannoversche Allgemeine 9. Juni 2018).

In der neuen Ausgabe der Fachzeitschrift „f&w führen und wirtschaften im Krankenhaus“ spricht sich Irmtraut Gürkan, Kaufmännische Direktorin des Universitätsklinikums Heidelberg (Baden-Württemberg), gegen derlei Pläne aus. Sie bestreitet sogar grundsätzlich, dass es einen Ärztemangel gibt: „Wir haben nicht zu wenig Mediziner. Im Gegenteil hat Deutschland eine im internationalen Vergleich sehr hohe Arztdichte. Aber: Die Verteilung ist schlecht organisiert“, so Gürkan in der f&w-Kolumne „Vorstandsvorlage“. Lag die Arztdichte in Deutschland im Jahr 1991 noch bei 304 berufstätigen Ärzten je 100.000 Einwohner, stieg sie in den vergangenen Jahren kontinuierlich an. Der Ärzteatlas 2015 weist für Deutschland eine Arztdichte in Höhe von 451 je 100.000 Einwohner aus, laut WHO belegt Deutschland somit sogar Rang 10 im internationalen Vergleich bzgl. der größten Arztdichte.

Zudem müsse man sich neben einer besseren Verteilung des Personals mit einer anderen Aufgabenverteilung zwischen den Gesundheitsberufen (Stichwort: Direct Access) befassen. Gürkan: „Wir bilden inzwischen im großen Stil akademischen Nachwuchs aus, daher muss nun endlich auch die Aufgabendelegation oder Substitution in der Pflege, der Geburtshilfe oder bezüglich der Physician Scientists konsequent geregelt werden“.

Arbeitsteilung statt neuer Ausbildungskapazitäten

Damit spricht Gürkan ein Thema an, welches auch für den ambulanten Sektor auf dem Lande zielführend ist. Durch Mehrbehandlerpraxen mit effizienteren Praxisabläufen und dem Ausschöpfen der zulässigen Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliches Personal – so z.B. die mobile Praxisassistentin VERAH) – könnte die Ressource Arzt wesentlich besser genutzt werden (Stichwort: Effizienzsteigerung).

Kurz- und mittelfristig sei, so ergänzt Gürkan, eine flächendeckende Verbesserung der Versorgung – auch ohne zusätzliche Studienplätze – möglich, etwa durch eine Stärkung des ambulanten Sektors und der Allgemeinmedizin, die Implementation der digitalen Medizin und Telemedizin (Stichwort Digitalisierung), sowie neue Netzwerke zwischen Maximalversorgern und regionalen Krankenhäusern.

Und was wollte die Ärztelobby kürzlich? – Erst im Mai 2018 hatte der 121. Deutsche Ärztetag den Landesregierungen das Gegenteil empfohlen, die Zahl der Medizin-Studienplätze auf 17.000 jährlich zu erhöhen.

Hier geht es zur Publikation: Wie ist dem Ärztemangel auf dem Lande zu begegnen?