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Ärztemangel: Versorgungslücken durch Krankenhausärzte schließen?

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Jüngst berichtete ein bayerischer Bürgermeister einer Gemeinde mit rund 4.000 Einwohnern, dass es ihm gelungen sei, eine Oberärztin aus einem nahen Krankenhaus für den Einstieg mit anschließender Übernahme einer hausärztlichen Landarztpraxis zu gewinnen. Davor gab es immer wieder Berichte aus anderen Regionen im Bundesgebiet, dass ausgebildete Allgemeinmediziner aus Krankenhäusern sich um einen Kassenarztsitz bewerben und auch von Mehrpersonen-Arztpraxen (Mehrbehandlerpraxen) anstellen lassen. Das aber geht in den Medien nahezu vollständig unter. Nur über die aktuelle NRW-Initiative Krankenhausärzte direkt für die ambulante Versorgung auf dem Lande abzuwerben, wurde nennenswert berichtet (Stichwort: NRW-Initiative).

Was sind mögliche Motive dieser Krankenhausärzte in solche neuen und größeren Praxisstrukturen auf dem Lande zu wechseln? Junge Nachwuchsmediziner gehören der sogenannten Generation Y an, im Vordergrund stehen hier die Work-Life-Balance, das bevorzugte Angestelltenverhältnis, die berufliche Flexibilität und das Arbeiten im Team. Eine klassische Einzelpraxis wiederspricht alldem, doch auch in den Krankenhäusern sieht es nur wenig besser aus. Knapp 50 Prozent der Krankenhaus-Ärzte haben ein wöchentliches Arbeitspensum zwischen 49 bis 59 Stunden, jeder Vierte sogar von 60 bis 79 Stunden (Untersuchung des Marburger Bundes aus dem Jahr 2013). Eine ältere bundesweite Befragung unter Klinikärzten aus dem Jahre 2006 (Ärzteblatt Sommer 2007), welche die Bereitschaftsdienste in ihre Berechnung miteinfließen ließ, kam seinerzeit sogar auf 58 bis 69 Wochenarbeitsstunden. Sicherlich hat sich das – letztendlich durch zahllose Ärztestreiks ausgelöst – nach unten entwickelt. Aber immerhin gilt nach einer aktuellen Untersuchung: „46 Prozent der stationären Arbeits­zeit wurden im direkten Kontakt mit Patienten verbracht. Mehr als die Hälfte der Zeit wurde dagegen für die indirekte stationäre Versorgung benötigt, wie beispielsweise für Dokumentation und Schreiben von Arztbriefen, oder für allgemeine Dienstbesprechungen, Teamrunden oder sonstige Organisation des klinischen Betriebes.“ (Ärzteblatt Herbst 2017)

Effizienzsteigerung durch Digitalisierung

Ein wesentlicher Anteil dieses Arbeits- bzw. Beschäftigungspensums liegt auch heute noch darin begründet, dass die IT-Investitionen in Krankenhäusern im Schnitt keine zwei Prozent des jährlichen Umsatzes betragen (Roland Berger Krankenhausstudie 2017). Experten fordern regelmäßig rd. fünf Prozent, in der Industrie beträgt der Anteil beispielsweise zwölf Prozent. Infolge dessen wird auch im Krankenhaussektor die knappe Ressource „Arzt“ durch Papierkram und Bürokratietätigkeiten schlichtweg verschwendet. Der Verband der Krankenhausdirektoren forderte daher jüngst für die nächsten fünf Jahre IT-Investitionen von zwei Milliarden Euro jährlich.

Das gleiche Phänomen begegnet uns ebenso bei den tradierten Hausarztpraxen: Das Fax ist das mit Abstand am häufigsten genutzte Kommunikationsmittel und die ungeheure Anzahl von nicht weniger als 194 verschiedenen IT-Praxisverwaltungssystemen verlangsamt jeglichen Datenaustausch. Ein kurzer Blick genügt um festzustellen, dass der ambulante und stationäre Sektor weit von einer Digitalisierung entfernt ist. Angesichts des bundesweiten Ärztemangels könnten hierdurch jedoch dringend benötigte ärztliche Ressourcen freigesetzt werden und damit auch ärztliche Versorgungslücken auf dem Lande zumindest teilweise geschlossen werden.

Eine flächendeckende ärztliche Versorgung auf dem Lande wird zunehmend auch kommunale Aufgabe

Fazit: Vor Ort in den Kommunen mit gefährdeter Hausarztversorgung ist es für Bürgermeister zielführend, diese stille Reserve in den Krankenhäusern mit im Blick zu behalten. Bei attraktiven Leuchtturmprojekten mit einer Mehrbehandlerpraxis mit angestellten Ärzten wird das dann regelmäßig ein Selbstläufer (Stichwort: kommunales Medizinisches Versorgungszentrum). Bietet man jungen Krankenhausärzten das gewünschte berufliche Umfeld, meldet sich der ein oder andere Krankenhausarzt (weiblich oder männlich) von alleine. Manch einer wohnt sogar bereits am Ort des heraufziehenden Hausärztemangels oder nur zehn Kilometer weit weg. Den „Sack zuzumachen“ bleibt aber noch die große zentrale kommunale Herausforderung.

Übrigens: Wieso mischt sich nicht mancher Landrat bei diesem Thema dahingehend ein, dass er die Leitung seiner Kreisklinik „antippt“ im Niederbelassungsbereich auszuhelfen. In NRW müsste das ja aufgrund der besagten Laumann-Initiative schon begonnen haben? – Oder heißt es da nur lapidar „Wir haben selbst einen Ärztemangel!“. Womit sich die Katze wieder in den Schwanz beißen würde. Da scheint die jüngste Forderung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, die Arztpraxen 25 statt 20 Stunden für die Patienten zu öffnen doch richtungsweisender: Es geht endlich „ans Eingemachte“ der autonom agierenden Praxisorganisation und damit hin zu einer effizienteren Nutzung der Ressource Hausarzt (Stichwort: Weniger Ärzte müssen in Zukunft mehr Medizinisches leisten).

Hier geht es zur Publikation: Wie ist dem Ärztemangel auf dem Lande zu begegnen?