Ärztemangel
Durch Renteneintritt der ‚Baby-Boomer’ droht haus- und fachärztliche Versorgungslücke
22. September 2023
Nordrhein-Westfalen Ärztemangel
Hausärztemangel in Nordrhein-Westfalen
3. November 2023

Brandenburg fehlen 500 Hausärzte bis zum Jahr 2025

Ärztemangel Brandenburg

In Brandenburg suchen derzeit knapp 700 Hausärztinnen und -ärzte eine Nachfolge. Circa 330 hausärztliche Kassensitze sind derzeit unbesetzt. Das Durchschnittsalter der Hausärzte liegt derzeit bei 54,4 Jahren. Rd. 37 Prozent der behandelnden Allgemeinmediziner in Brandenburg sind Stand 2023 älter als 60 Jahre. Die Zahl der potenziellen Nachfolger ist jedoch auf absehbare Zeit deutlich geringer als die Zahl der sich zur Ruhe setzenden Ärzte – auch im fachärztlichen Bereich – hier fehlen derzeit 170 Fachärzte. (Lesen Sie auch: Ärztemangel in Niedersachsen)

Mehr Ärzte und trotzdem Ärztemangel 

Seit 2010 steigt die Zahl der ambulant tätigen Ärzte in Brandenburg. Vor allem in den grundversorgenden Facharztrichtungen konnte die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg (KVBB) in den Jahren 2010 bis 2020 einen kontinuierlichen Zuwachs an Ärzten verzeichnen. Die Zahl der Hausärzte konnte im gleichen Zeitraum ebenfalls gesteigert werden, wenn auch nicht im gleichen Umfang. 

Quelle: KVBB, Versorgungsbericht 2021

Trend zur Anstellung hält an

Im Jahr 2008 waren in Brandenburg 9,8 Prozent der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte angestellt, im Jahr 2020 waren es bereits 30 Prozent. Deren Anteil sollte demnach zum Jahreswechsel 2023/24 bei rd. einem Drittel liegen. Damit hat sich der Anteil der Angestellten mehr als verdreifacht. 825 davon sind als angestellte Ärzte in größeren Einrichtungen, d.h. in Medizinischen Versorgungszentren, tätig. Lediglich 412 als Angestellte in Arztpraxen (Einzel- oder Gemeinschaftspraxen).

Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig: Junge Mediziner scheuen vor allem das unternehmerische Risiko einer Selbstständigkeit. Ebenso wird die überbordende Bürokratie im Praxisalltag als Hindernis für die Niederlassung wahrgenommen. So müssen Mediziner in einer klassischen Ein-Personen-Praxis oft mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit mit bürokratischen Prozessen verbringen. Der Praxisinhaber kommt hierbei leicht auf eine Wochenarbeitszeit von teilweise deutlich über 50 Stunden. Ärzte in Anstellungsverhältnissen können sich hingegen viel mehr auf ihre medizinische Kerntätigkeit, die Arbeit mit den Patienten, fokussieren.

Quelle: KVBB, Versorgungsbericht 2021

Work-Life-Balance: Teilzeit statt Vollzeit

Im Sinne einer persönlichen Work-Life-Balance entscheiden sich immer mehr Ärztinnen und Ärzte in Deutschland für eine Teilzeittätigkeit. Der Anteil der in Teilzeit arbeitenden Mediziner nimmt weiter zu und betrug im Jahr 2022 bundesweit ca. 19 Prozent. Genaue Zahlen bzgl. der in Teilzeit arbeitenden Ärzte für Brandenburg konnten nicht ermittelt werden. Deren Anteil an der Gesamtzahl der Ärzte dürfte sich jedoch aufgrund der vergleichsweisen hohen ärztlichen Angestelltenquote in Brandenburg auf rd. 20-25 Prozent belaufen. Mindestens jeder zweite angestellte Arzt in Brandenburg geht – folgt man den Vergleichswerten aus anderen Bundesländern – seiner Tätigkeit in Teilzeit nach.

Medizinische Versorgungszentren


Im Jahr 2004 hat der Gesetzgeber Medizinische Versorgungszentren (MVZ) neu in die ambulante Versorgung eingeführt. Die Zahl der MVZ und auch die Zahl der dort arbeitenden Ärzte steigen seitdem stetig. 

Quelle: KVBB, Versorgungsbericht 2021

Altersstruktur der niedergelassenen Ärzte

Die Bevölkerung in Brandenburg altert, das trifft auch auf die Vertragsärzte zu. Im Jahr 2020 waren rund ein Drittel der Haus- und Fachärzte im ambulanten Bereich 60 Jahre und älter, dieser Trend wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen. 

Quelle: KVBB, Versorgungsbericht 2021

Aktuelle Situation in Brandenburg

Stimmt die Relation von Ärzten und Patienten in einer Region mit der gesetzlichen Vorgabe überein, so beträgt der Versorgungsgrad genau 100 Prozent. Ab einem Versorgungsgrad von 75 Prozent (hausärztliche Versorgung) bzw. 50 Prozent (fachärztliche Versorgung inkl. Psychotherapie) besteht i.d.R. eine Unterversorgung. Eine Überversorgung wird im Allgemeinen ab einem Versorgungsgrad von 110 Prozent ausgewiesen. Der Planungsbereich wird dann für Neuzulassungen gesperrt. 

Planungsbereiche für die Arztgruppe der Hausärzte sind die 46 Mittelbereiche in Brandenburg nach der Zuordnung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Als allgemeine Verhältniszahl werden 1.609 Einwohner pro Arzt zugrunde gelegt. Diese wurden im Nachfolgenden aufgelistet und entsprechend ihres derzeitigen hausärztlichen Versorgungsgrades eingeteilt. Die Einteilung erfolgte auf o.g. Parametern, wobei gilt

  • dunkelgrün ab 110 %, Planungsbereich gesperrt, Vollversorgung
  • Hellgrün 100-109 %, Planungsbereich offen, in Regelversorgung
  • Gelb 90-99 %, unterhalb der Regelversorgung
  • Orange 76-89 %, drohende Unterversorgung
  • Rot <75 %, Unterversorgung

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass 

  • sich mit heutigem Stand 2 von 111 hausärztlichen Planungsbereichen (4,3 %) in Unterversorgung befinden, dies sind die Planungsbereiche Jüterbog und Schönefeld-Wildau,
  • 21 der 46 Planungsbereiche als „drohend unterversorgt“ gelten können (45,6 %),
  • sich nurmehr 11 von 46 hausärztlichen Planungsbereichen (23,9 %) innerhalb der Regelversorgung/Vollversorgung befinden.

Die Mittelbereiche im Überblick

Quelle: KVBB, eigene Darstellung

Erfolgreiche kommunale Initiativen

Im Mittelbereich Lübben (rd. 47.000 Einwohner) praktizieren derzeit 27 niedergelassene Hausärztinnen und -ärzte. Innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre erreicht gut die Hälfte davon das Rentenalter. Damit droht absehbar ein Engpass. Bereits heute beläuft sich der Versorgungsgrad nurmehr auf 80,2 %, damit ist der Mittelbereich drohend unterversorgt.

Die Spreewaldstadt Lübben reagiert mit der Gründung eines kommunalen Medizinischen Versorgungszentrums auf die Herausforderungen. Parallel unterstützt die Spreewaldkommune freiberuflich tätige Hausärzte und Zahnärzte über eine Förderrichtlinie mit bis zu 50.000 Euro bei einer Niederlassung, Übernahme oder Erweiterung einer Praxis in Lübben. Im Gegenzug binden sich die Ärzte mindestens fünf Jahre an die Kommune. Das hat nach Auskunft aus dem Rathaus bereits zu einer erfolgreichen Praxisübernahme geführt. Die Gründung des kommunalen MV schreitet indessen zügig voran. Die Trägergesellschaft wurde bereits gegründet, bis zur Zulassung und Inbetriebnahme muss die Bevölkerung jedoch noch bis Sommer 2024 warten. (Lesen Sie auch: Sind kommunale MVZ Zuschussbetriebe?)

Das kommunale MVZ in Lübben wäre damit das dritte seiner Art in Brandenburg. Daneben existieren das MVZ Gesundheitszentrum Baruth/Mark gGmbH (Landkreis Teltow-Fläming), welches die dortige Bevölkerung seit 1. Oktober 2021 versorgt, sowie seit 1992 das Medizinische Einrichtung GmbH Blankenfelde-Mahlow (MVZ) in Blankenfelde-Mahlow.