hausärztliches Genossenschaftsmodell
Kommunale Medizinische Versorgungszentren in der Rechtsform einer Genossenschaft
14. August 2023
Hausärztemangel Westfalen-Lippe
Hausärztemangel in Westfalen-Lippe
5. September 2023

Ärztemangel in Niedersachsen

Hausärztemangel Niedersachsen

Prognose: Jeder vierte Hausarzt hört bis 2035 auf

Das Problem des Ärztemangels ist seit Langem bekannt. In erster Linie im ländlichen Raum ist die grundlegende und vor allem wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung mit Hausärztinnen und Hausärzten nicht mehr flächendeckend gewährleistet. Zwar haben zahlreiche Landesregierungen einen Gesetzentwurf zur Landarztquote für die Ausbildung von Allgemeinmediziner vorgelegt, doch diese Maßnahme wirkt einerseits stark zeitverzögert (das Gros der ausgebildeten Mediziner steht frühestens in einem Jahrzehnt zur Verfügung), andererseits wird das hinter dem Ärztemangel stehende strukturelle Problem nicht angegangen. (Lesen Sie auch: Die ambulante medizinische Versorgung im Umbruch)

Der Ärztemangel in Niedersachsen im Überblick

2035 werden mehr als 60 Prozent der rund 5.000 niedersächsischen Hausärzte im Rentenalter sein. Gleichzeitig wird jedoch aufgrund des demografischen Wandels der Versorgungsbedarf der Bevölkerung spürbar ansteigen, Mobilitätsprobleme in ländlichen Regionen für eine immer älter werdende Bevölkerung verlangen eine wohnortnahe ärztliche Grundversorgung. So berichtet der größte Sozialverband in Niedersachsen SoVD (niedersachsenweit mehr als 270.000 Mitglieder), dass die Beschwerden aus der Bevölkerung bzgl. der Nicht-Erreichbarkeit bzw. Nicht-Verfügbarkeit von Haus- und Facharztpraxen stetig zunehmen. (Lesen Sie auch: Welche Regionen in Bayern sind besonders vom Hausärztemangel betroffen?)

Gleichzeitig berichtete die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) vergangenes Jahr, dass bis 2035 die Zahl der niedersächsischen Hausärzte von gegenwärtig 5044 auf 3750 sinken wird. Bei den Fachärzten droht eine Unterversorgung auf dem Land, dies bedeutet, dass von zehn Facharztpraxen nur noch sechs erfolgreich einen Praxisnachfolger finden werden. Der KVN-Vorstandschef Mark Barjenbruch konstatierte „Die Sicherstellung der flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung wird immer schwerer werden“. Der Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes, Marco Trips, kommentierte diese Einschätzung wie folgt: „Wenn sich nichts tut, haben wir künftig das Problem, dass in einigen Teilen unseres Landes die Bevölkerung nur eine ärztliche Versorgung zweiter Klasse oder nur in weiter Entfernung bekommt“.

Zum 1. Juli 2023 gab es 546 (12/2022: 466; 12/2019: 355) offene Hausarztsitze in Niedersachsen. Das derzeitige Durchschnittsalter der jetzigen Hausärzte liegt bei 55,5 Jahren. Besonders betroffen sind in Niedersachsen die Planungsbereiche Alfeld (Leine), Bremerhaven, Buxtehude, Salzgitter, Delmenhorst, Syke, Cloppenburg und Meppen. Die nachfolgende Grafik gibt einen Einblick in die Gesamtzahl der KVN-Planungsbereiche:

Quelle: Fortschreibung der Bedarfsplanung KVN, Stand 03/2023

Besser ist hingegen die Versorgung bei den übrigen Facharztrichtungen, hier sind 118,5 Stellen unbesetzt, sieben sind es bei den Psychotherapeuten.

Laut Bedarfsplanung der KV Niedersachsen befindet sich derzeit der Planungsbereich Bremerhaven in der hausärztlichen Unterversorgung. Die Planungsbereiche Bremervörde, Syke und Sulingen gelten hingegen als drohend unterversorgt. Weitere 16 Planungsbereiche weisen nurmehr einen hausärztlichen Versorgungsgrad von 80-89,9 % auf, sie dürften somit aufgrund der absehbaren Zurruhesetzung der Mediziner aus der Baby-Boomer-Generation ebenfalls in die (drohende) Unterversorgung rutschen.

Die von der KVN ermittelte prognostische Bedarfsplanung für das 2035 macht diese Entwicklung deutlich. Mindestens 38 von 104 Planungsbereichen werden sich in der Unterversorgung befinden. Nur noch eine Handvoll Mittelbereiche wird weiterhin als regelversorgt gelten. Diese dramatische Entwicklung ist nahezu von Bundesland zu Bundesland identisch.

Quelle: Fortschreibung der Bedarfsplanung KVN, Stand 03/2023
Quelle: Fortschreibung der Bedarfsplanung KVN, Stand 03/2023

Landarztquote

Der wachsende Ärztemangel beschäftigt die Landespolitik schon seit Jahren. Helfen soll unter anderem die sogenannte Landarztquote, mit der ein Teil der Medizin-Studienplätze bevorzugt an Bewerber vergeben wird, die sich für zehn Jahre zu einer hausärztlichen Tätigkeit in unterversorgten Regionen verpflichten. Seit 1. März 2023 können sich Interessenten erstmals auf diese reservierten Studienplätze bewerben. Der KVN-Vorstandschef Mark Barjenbruch sieht die Landarztquote skeptisch: „Es ist ein Tropfen auf den heißen Stein, aber es ist nicht die Lösung“, sagte er. Studierende, die einen Studienplatz über die Landarztquote erhalten, verpflichten sich nach ihrem Studium, zehn Jahre in einer unterversorgten Region zu arbeiten. Jedes Jahr werden über diese Quote 60 Medizin-Studienplätze vergeben. Ausgehend davon, dass mittlerweile mehr als die Hälfte der Absolventen eine ärztliche Tätigkeit in Teilzeit aufnehmen, tatsächlich nur ein kleines Trostpflaster.

RGZ und RVZ

Der SoVD verweist daher folgerichtig auf die Schaffung attraktiver Teilzeitmodelle für junge Ärztinnen und Ärzte, um sich den ändernden Berufsanforderungen anzupassen. Darüber hinaus fordert der SoVD die Errichtung Regionaler Gesundheitszentren (RGZ) mit interdisziplinären Facharztrichtungen. Durch den aktuellen Entwurf zum GVSG Teil 1 werden die im derzeitigen Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ der Bundesregierung formulierten Ansätze schrittweise umgesetzt.

Das Land Niedersachsen fördert darüber hinaus seit 2020 über das Niedersächsische Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung mit dem Förderprogramm ‚Regionale Versorgungszentren‘ Modellprojekte, die unter dem Dach eines Regionalen Versorgungszentrums (RVZ) auch ein (kommunales) Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) umfassen. Damit sollen Dienstleistungen zur Daseinsvorsorge an zentralen, gut erreichbaren Orten gebündelt werden. Die Landkreise Wesermarsch, Cuxhaven, Wolfenbüttel, Nordenham, Schaumburg sind hier bereits aktive Fördernehmer. (Lesen Sie auch: Regionales Versorgungszentrum und kommunales MVZ in Baddeckenstedt eröffnet)