Regionales Gesundheitszentrum
Regionales Gesundheitszentrum statt Krankenhaus
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20 Jahre MVZ
20 Jahre Medizinische Versorgungszentren (MVZ)
18. Juni 2023

Welche Regionen in Bayern sind besonders vom Hausärztemangel betroffen?

Ärztemangel Bayern

Knapp jeder dritte Mittelbereich in Zukunft von Unterversorgung bedroht

Die Planungsregionen der hausärztlichen Bedarfsplanung heißen Mittelbereiche. Diese sind selten mit den Landkreisen oder kreisfreien Städten identisch. So findet die hausärztliche Bedarfsplanung in Bayern derzeit in 204 Mittelbereichen statt – die Zahl der Landkreise und kreisfreien Städten liegt hingegen bei 96. Innerhalb dieser Mittelbereiche können sich Hausärztinnen und Hausärzte an jedem beliebigen Ort niederlassen. Hier hat die Kassenärztliche Vereinigung keine Steuerungsmöglichkeit. Eine Tendenz zur Niederlassung in Ballungsgebieten im jeweiligen Mittelbereich ist seit Jahren dabei unverkennbar.

Von den 204 in Bayern existierenden Mittelbereichen sind 60 als unterversorgt oder drohend unterversorgt zu bezeichnen. Dies entspricht nahezu jedem dritten Mittelbereich. (Lesen Sie auch: Ärztemangel in Österreich – Ein Blick in unser Nachbarland)

Herausforderung Demografie

Im Durchschnitt ist ein niedergelassener Hausarzt in Bayern 55,2 Jahre alt, etwas mehr als ein Drittel (35,7%) der Hausärzte ist 60 Jahre oder älter und steht damit kurz vor dem Ruhestand. 750 Hausärzte (dies entspricht rd. 8% aller in Bayern niedergelassenen Allgemeinmediziner) praktizieren derweil über ihr 65. Lebensjahr hinaus. Den nachrückenden Medizinernachwuchs zieht es vor allem in städtische Regionen und in Angestelltenverhältnisse – und dabei vorwiegend in Teilzeit. Durchschnittlich geben Hausärzte mit 65 Jahren ihre Praxis auf. Der Ärztemangel wird folglich in den kommenden drei bis fünf Jahren deutlich an Brisanz gewinnen, sobald die letzten Ärzte der sog. Baby-Boomer-Generation (Geburtenjahrgänge bis einschl. 1964) sich zur Ruhe setzen werden. Bis zum Jahr 2030 werden in Bayern dann schätzungsweise rd. 1.200 Hausarztsitze unbesetzt sein. In Deutschland werden es zu diesem Zeitpunkt dann etwa 10.000 nicht nachbesetzbare Hausarztsitze sein. Bis zum Jahr 2035 wird diese Zahl Studien zu Folge nochmals auf bis zu 12.000 steigen. In Bayern fehlen mit Stand heute bereits 443 Hausärzte (Vollzeitäquivalente) in der Versorgung.

Wo in Bayern ist der Hausärztemangel besonders akut?

Oberbayern

In Oberbayern sind 3.423 Hausärztinnen und Hausärzte auf 3.056,95 Hausarztsitzen niedergelassen. Dies entspricht in etwa einem Drittel aller in Bayern vorhandener Hausarztsitze (35,5%). Der Anteil der Hausärzte über 60 Jahre liegt hier mit 34,5 % leicht unter dem bayerischen Durchschnitt von 35,7 %.

Ein Hausarztsitz entspricht einem vollen Versorgungsauftrag, vergleichbar einer Vollzeitstelle. Gibt es mehr Ärzte als Arztsitze, deutet dies darauf hin, dass sich zahlreiche Ärzte einen Arztsitz „teilen“, d.h. in Teilzeit niedergelassen bzw. angestellt sind. Auch die Ausübung einer hausärztlichen Vertragsarzttätigkeit auf 0,25 Arztsitzen ist möglich und über Teilzeitmodelle bei angestellten Ärzten und Ärztinnen üblich. 

Der starke Trend zu Teilzeitmodellen im ärztlichen Bereich hat zur Folge, dass es in Bayern zwar seit Jahren immer mehr Allgemeinmediziner gibt, die der Versorgung zur Verfügung stehenden Behandlungszeiten jedoch konstant bleiben. So bedarf es nahezu zwei Nachwuchsmediziner, um den Wegfall eines älteren Arztes zu kompensieren. Dies erklärt das in Bayern und Deutschland stattfindende Paradoxon, dass der Ärztemangel trotz steigender Anzahl an Mediziner stetig zunimmt.

Nachfolgend sind oberbayerische Planungsbereiche aufgeführt, welche bereits (drohend) unterversorgt sind bzw. dies in absehbarer Zeit sein werden. Gleichzeitig werden Mittelbereiche dargestellt, welche noch eine ausreichende hausärztliche Versorgung aufweisen, aber aufgrund ihrer signifikant ungünstigen Altersstruktur der niedergelassenen Hausärzte in den kommenden Jahren in die Unterversorgung abrutschen werden.

Der hausärztliche Versorgungsgrad wird hierbei in Prozent angegeben. Die Prozentangaben sind wie folgt zu verstehen:

  • Unter 75 %:      Unterversorgung. KV-Förderungen möglich.
  • 76 – ca. 85 %: drohende Unterversorgung, hierbei wird auch das Alter der Vertragsärzte im Mittelbereich betrachtet. KV-Förderungen möglich.
  • 110 %:             Regelversorgung
  • 110 -139 %:    Überversorgung,  keine Neuzulassungen möglich, allerdings sind Nachbesetzungen von bestehenden Arztsitzen möglich
  • Ab 140 %:       Überversorgung, gesperrt auch für Nachbesetzungen, es sei denn die Altersstruktur der Vertragsärzte ist so hoch, dass relativ kurzfristig mit Praxisschließungen zu rechnen ist.

Die oberbayerischen Mittelbereiche Eichstätt, Erding-Nord, Ingolstadt-Süd und Moosburg a.d.Isar sind drohend unterversorgt. In den kommenden drei bis fünf Jahren dürften alle vier Mittelbereiche in die hausärztliche Unterversorgung fallen. Der Mittelbereich Mühldorf am Inn wird bereits als unterversorgt ausgewiesen. Hier scheint es seit der Veröffentlichung der aktuellesten Zahlen im Dezember 2022 bereits weitere Praxisschließungen gegeben zu haben.

Der Mittelbereich Waldkraiburg wurde als Beispiel eines sich noch in der Regelversorgung befindlichen Planungsbereiches gewählt, welcher aber aufgrund einer sehr ungünstigen Altersstruktur der niedergelassenen Hausärzte (53,8 % über 60 Jahre) ebenfalls absehbar in die drohende Unterversorgung abrutschen wird. (Lesen Sie auch: Die ambulante medizinische Versorgung im Umbruch)

Quelle: KVB, Versorgungsatlas Hausärzte Januar 2023, eigene Darstellung

Oberfranken

In Oberfranken sind 722 Hausärztinnen und Hausärzte auf 678,25 Hausarztsitzen niedergelassen. Dies entspricht in etwa 7,9 % aller in Bayern vorhandener Hausarztsitze. Der Anteil der Hausärzte über 60 Jahre liegt hier mit 41,1 % deutlich über dem bayerischen Durchschnitt von 35,7 %.

Deutlich schlechter steht es um die hausärztliche Versorgung im Regierungsbezirk Oberfranken. Knapp jeder zweite hausärztliche Mittelbereich (47,8 %) ist (drohend) unterversorgt. Die Versorgungsgrade der Mittelbereiche Kronach-Nord (88,30 %) und Kronach-Süd (83,93 %), Neustadt b.Coburg (89,77 %) sowie Wunsiedel/Marktredwitz (80,99 %) sind hierbei besonders hervorzuheben. Die hausärztliche Versorgung in diesen Mittelbereichen ist bereits deutlich ausgedünnt, die Zurruhesetzungswelle der älteren Ärztegeneration steht jedoch noch bevor, der hohe Anteil an Hausärzten über 60 Jahren in diesen Gebieten verdeutlicht dies. Der Mittelbereich Naila ist mit einem Anteil von 65,4 % der niedergelassenen Hausärzte über 60 Jahre ebenfalls bemerkenswert.

Quelle: KVB, Versorgungsatlas Hausärzte Januar 2023, eigene Darstellung

Mittelfranken

In Mittelfranken sind 1.316 Hausärztinnen und Hausärzte auf 1.214,90 Hausarztsitzen niedergelassen. Dies entspricht in etwa 14,1 % aller in Bayern vorhandener Hausarztsitze. Der Anteil der Hausärzte über 60 Jahre liegt hier mit 33,1 % unter dem bayerischen Durchschnitt von 35,7 %.

In Mittelfranken weist die Kassenärztliche Vereinigung Bayern bereits zwei Mittelbereiche als unterversorgt aus,  Ansbach-Nord mit 72,92 % und Wassertrüdingen mit 74,26 %. Bad Windsheim (Vers.grad.: 95,11 % bei 50 % über 60 Jahre), Dinkelsbühl (Vers.grad.: 79,75 % bei 46,7 % über 60 Jahre) und Feuchtwangen (Vers.grad.: 81,28 % bei 53,8 % über 60 Jahre) dürften in den kommenden Jahren ebenfalls als unterversorgt eingestuft werden. 30,7 % der Mittelbereiche in Mittelfranken sind demnach von Unterversorgung bedroht bzw. unterversorgt.

Quelle: KVB, Versorgungsatlas Hausärzte Januar 2023, eigene Darstellung

Unterfranken

In Unterfranken sind 938 Hausärztinnen und Hausärzte auf 863,15 Hausarztsitzen niedergelassen. Dies entspricht 10 % aller in Bayern vorhandener Hausarztsitze. Der Anteil der Hausärzte über 60 Jahre liegt hier mit 39,3 % deutlich über dem bayerischen Durchschnitt von 35,7 %.

Generell ist es um die flächendeckende hausärztliche Versorgung in Franken nicht gut bestellt. So sind im Regierungsbezirk Unterfranken elf Mittelbereiche drohend unterversorgt. Dies entspricht rd. 41 % des Versorgungsgebietes. Bad Brückenau und Gerolzhofen können in Bezug auf den Versorgungsgrad und die Altersstruktur der niedergelassenen Hausärzte als am meisten problematisch und herausfordernd bezeichnet werden.

Die Mittelbereiche Bad Kissingen (60,5 % über 60 Jahre), Mellrichstadt (60 % über 60 Jahre) und Schweinfurt Süd (51,3 % über 60 Jahre) sind aufgrund der ungünstigen Altersstruktur unter den Hausärzten ebenso erwähnenswert. 

Quelle: KVB, Versorgungsatlas Hausärzte Januar 2023, eigene Darstellung

Oberpfalz

In der Oberpfalz sind 804 Hausärztinnen und Hausärzte auf 758,25 Hausarztsitzen niedergelassen. Dies entspricht 8,8 % aller in Bayern vorhandener Hausarztsitze. Der Anteil der Hausärzte über 60 Jahre liegt hier mit 33,3 % etwas unter dem bayerischen Durchschnitt von 35,7 %.

Lediglich rd. 17 % des Versorgungsgebietes gilt als (drohend) unterversorgt. Der Mittelbereich Tirschenreuth ist in Bezug auf die hausärztliche Versorgung der Bevölkerung mit einem Versorgungsgrad von 82,50 % sowie einem Anteil der Hausärzte über 60 Jahre von nahezu 50 % als Schlusslicht in der Oberpfalz zu bezeichnen. Hier dürfte die Nachbesetzungsproblematik vor dem Hintergrund einer bereits sehr ausgedünnten Versorgung den Ärztemangl akut verschärfen. Im Mittelbereich Waldsassen (Vers.grad.: 97,34 %) sind 60 % der niedergelassenen Hausärzte über 60 Jahre alt. Ein massiver Wegfall der hausärztlichen Versorgung in der Fläche ist hier lediglich eine Frage der Zeit. 

Quelle: KVB, Versorgungsatlas Hausärzte Januar 2023, eigene Darstellung

Niederbayern

In Niederbayern sind 875 Hausärztinnen und Hausärzte auf 812,60 Hausarztsitzen niedergelassen. Dies entspricht 9,4 % aller in Bayern vorhandener Hausarztsitze. Der Anteil der Hausärzte über 60 Jahre liegt hier mit 39,3 % deutlich über dem bayerischen Durchschnitt von 35,7 %.

Aufgrund seines ländlicheren Charakters ist die hausärztliche Versorgung in Niederbayern im Vergleich zum benachbarten Oberbayern deutlich schlechter. Insgesamt zehn Mittelbereiche gelten als drohend unterversorgt bzw. unterversorgt (Mittelbereich Simbach am Inn), dies entspricht einem Drittel. Vor allem die Altersstruktur verweist darauf, dass die „Spitze des Eisberges“ in Bezug auf die Zurruhesetzungswelle noch nicht erreicht wurde. Im Mittelbereich Vilsbiburg sind unglaubliche vier von fünf niedergelassenen Hausärzten bereits über 60 Jahre alt, und dies bei einem nur noch verbliebenen Versorgungsgrad von 97,72 %. Doch auch in den Mittelbereichen Deggendorf (Vers.grad.: 88,22 % bei 45,2 % über 60 Jahre), Hutthurm (Vers.grad.: 111,73 % bei 48,1 % über 60 Jahre), Landau a.d.Isar (Vers.grad.: 93,37 % bei 50 % über 60 Jahre), Regen (Vers.grad.: 121,97 % bei 55,6 % über 60 Jahre), Viechtach (Vers.grad.: 92,93 % bei 44,4 % über 60 Jahre) und Vilshofen (Vers.grad.: 100,71 % bei 48,6 % über 60 Jahre) ist die flächendeckende und wohnortnahe hausärztliche Versorgung absehbar gefährdet.

Quelle: KVB, Versorgungsatlas Hausärzte Januar 2023, eigene Darstellung

Schwaben

In Schwaben sind 1.309 Hausärztinnen und Hausärzte auf 1.220,70 Hausarztsitzen niedergelassen. Dies entspricht 14,2 % aller in Bayern vorhandener Hausarztsitze. Der Anteil der Hausärzte über 60 Jahre entspricht mit 35,1 % etwa dem bayerischen Durchschnitt von 35,7 %.

Insgesamt sind elf Mittelbereiche in Schwaben (drohend) unterversorgt (entspricht 38 % des Versorgungsgebietes). In erster Linie sind hier vor allem die Mittelbereiche Donauwörth Nord mit einem Versorgungrad von 79,34 % und einem Anteil der Hausärzte über 60 Jahre von 46,7 %, der Mittelbereich Lauingen (86,97 % bzw. 42,9 %) sowie der Mittelbereich Oettingen (78,7 % bzw. 36,4 %) erwähnenswert. 

Der Mittelbereich Leipheim/Günzburg liegt mit 101,42 % zwar noch nahe der Regelversorgung, ist aber aufgrund der Altersstruktur (45,5 % über 60 Jahre) langfristig gefährdet ebenfalls in die drohende Unterversorgung zu fallen.

Quelle: KVB, Versorgungsatlas Hausärzte Januar 2023, eigene Darstellung

Fazit

Es sei angemerkt, dass der hausärztliche Versorgungsgrad lediglich das Verhältnis der Hausärzte in Verbindung mit der Bevölkerungszahl widerspiegelt. Er gibt jedoch keine Aussage über deren Verteilung im Mittelbereich. So ist trotz eines hohen Versorgungsgrades eine Konzentration der hausärztlichen Versorgung auf bestimmte Ballungsgebiete in einem Mittelbereich nicht selten. Gleichzeitig herrscht so bei einer theoretischen Regelversorgung, ein de facto Mangel an ärztlicher Grundversorgung in der Fläche. (Lesen Sie auch: Kauf von Arztpraxen durch Finanzinvestoren soll eingeschränkt werden)

Kommunen, welche eine zukunftsfeste wohnortnahe hausärztliche Grundversorgung anstreben, haben mittlerweile eine Vielzahl kommunaler Versorgungsmodelle zur Auswahl (z.B. MVZ in kommunaler Trägerschaft, kurz: kMVZ) und erfahren zunehmend Unterstützung seitens der Bundes- bzw. Landespolitik sowie der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen und Kommunalaufsichten. Präzedenzfälle aus den vergangenen Jahren schaffen darüber hinaus Sicherheit im Umgang mit MVZ-Gründungen von Kommunen. Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek gibt gründungswilligen bayerischen Kommunen Rückendeckung und formulierte erst kürzlich im Rahmen einer Pressemitteilung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege: „Klar ist: Wir begrüßen kommunale MVZ ausdrücklich“. (Lesen Sie auch: Die ambulante medizinische Versorgung im Umbruch)