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Regionales Gesundheitszentrum statt Krankenhaus

Regionales Gesundheitszentrum

In Ankum-Bersenbrück (Landkreis Osnabrück) hat Anfang April 2023 Niedersachsens erstes Regionales Gesundheitszentrum (RGZ) eröffnet. Es ersetzt das kürzlich geschlossene örtliche Marienhospital. (Lesen Sie auch: Hausärztemangel in Deutschland – Ein Blick in die Glaskugel)

Was ist ein RGZ?

Das niedersächsische Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung definiert es wie folgt: „Regionale Gesundheitszentren sollen eine neue Form der medizinischen Versorgung ermöglichen. Ein RGZ kann die lokale Gesundheitsversorgung sicherstellen, wenn ein Krankenhaus nicht oder nicht mehr besteht. Das bietet gerade für ländliche Regionen neue Chancen.

Dort werden verschiedene Komponenten der ambulanten und stationären gesundheitlichen Versorgung zentralisiert und stehen den Bürgerinnen und Bürgern an einem Standort zur Verfügung. Patientinnen und Patienten können hier von einem Facharzt ambulant behandelt werden. Sofern es medizinisch notwendig ist, können Patientinnen und Patienten über Nacht bzw. für einige Tage stationär versorgt werden. Auch kleine Operationen wie z. B. ein einfacher Armbruch oder eine Blinddarmentzündung könnten dort versorgt werden. Durch Erweiterung von Angeboten beispielsweise im Bereich der Kurzzeitpflege, Physiotherapie oder Integration einer Sozialstation kann auf die Bedarfe in bestimmten Regionen – etwa mit älterer Bevölkerung – individuell eingegangen werden. Das hängt immer von den Gegebenheiten und den individuellen Standortfaktoren ab. Ziel ist es, jeweils maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln. Mit den Regionalen Gesundheitszentren wird ein Angebot geschaffen, das die Patientinnen und Patienten aus einer Hand sektorenübergreifend versorgt und damit Vorteile gegenüber einer rein stationären Versorgung bietet.“ Der Versorgungsansatz gleicht dem der  Primärversorgungszentren in Baden-Württemberg.

Regionales Gesundheitszentrum in Ankum

Das Regionale Gesundheitszentrum (RGZ) ist „ein wohnortnahes und gleichzeitig qualitativ hochwertiges Zentrum modernster medizinischer Grundversorgung“, kommentierte Andreas Philippi (SPD), Niedersachsens Gesundheitsminister, die Eröffnung. Der stationäre und ambulante Sektor befindet sich im Umbruch. Deutschlandweit rechnen Experten der Bertelsmann Stiftung mit rund 500 bis 700 Krankenhausschließungen in den kommenden zehn Jahren. Damit die Transformation der stationären Versorgung jedoch gelingen kann, müssen ambulante Strukturen mit teils erweitertem Angebot parallel zum Rückbau eines Krankenhauses geschaffen werden. (Lesen Sie auch: Regionales Versorgungszentrum und kommunales MVZ in Baddeckenstedt eröffnet)

Vor der Umwandlung in ein RGZ war das Marienhospital in  Ankum-Bersenbrück ein klassisches Grundversorgungs-Krankenhaus. 115 Betten groß, beschäftigte es rund 360 Mitarbeitende. Jetzt, als RGZ, hat es nur noch 15 Betten, die Zahl der Beschäftigten ist auf 125 gesunken. Ein Wandel, möglich geworden durch das Anfang des Jahres in Kraft getretene neue Niedersächsische Krankenhausgesetz, das eine enge Kombination von stationären und ambulanten Leistungen erlaubt.

Das RGZ bewahrt die Kommune vor einem Sturz ins medizinische Nichts. Mit einer chirurgischen, einer internistischen, einer orthopädischen Praxis sowie demnächst eine Kurzzeit- und Langzeitintensivpflege wird die medizinisch-pflegerische Versorgung der Bevölkerung weiterhin gewährleistet. Die Transformation des stationären Sektors führt einerseits zu weniger Kliniken in der Fläche, die verbliebenen größeren Krankenhäuser können in Zukunft wirtschaftlicher betrieben werden, auch ist eine voranschreitende Spezialisierung in diesem Umfeld möglich. Doch der Rückzug klassischer stationärer Einrichtungen verändert auch das ambulante Angebot, welche früher fast ausschließlich von niedergelassenen Ärzten bestritten wurde. Insgesamt betrachtet geht der Trend hin zu Spezialisierung und Ambulanz.

Im Falle des Ankumer Marienhospitals und nunmehrigen RGZ bedeutet dies, dass es keine Intensivstation und 24/7-Notfallversorgung mehr gibt. Die Geburtshilfe verschwindet absehbar ins rund 20 Kilometer entfernte Quakenbrück. Als Ambulantes Zentrum werden Patienten nach Operationen nachbetreut, die Erstversorgung bei Herzinfarkten oder Schlaganfällen ist ebenso möglich. Arm- und Beinfrakturen bis hin zur Blinddarmentfernung werden ebenfalls im RGZ behandelt.

Der Fortschritt und die Verfeinerung der medizinischen Diagnostik und Technik hat dazu geführt, dass heute ambulant behandelt werden kann, was früher einen mehrtägigen Klinikaufenthalt vorausgesetzt hat. Die größeren Krankenhäuser können sich im Gegenzug auf mehr Behandlungstiefe und Spezialisierung konzentrieren. 

Krankenhäuser mit massiven Defiziten

Vor der Umwandlung in ein Regionales Gesundheitszentrum, für die das Land Niedersachsen bis zu zwei Millionen Euro als Fördermittel bereitgestellt hat, war die Auslastung des Marienhospitals in Ankum dürftig. Die Bettenauslastung lag durchschnittlich bei unter 50 Prozent. Das Marienhospital steht beispielhaft für eine ganze Branche: Deutschlands Krankenhäusern geht es schlecht.

Gerald Gaß, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), hatte kürzlich auf dem Krankenhausgipfel in Berlin eine alarmierende Bilanz gezogen: „Wegen des fehlenden Inflationsausgleichs sind bis Ende 2022 bereits 6,7 Milliarden Euro an Defiziten [Anm.: in deutschen Krankenhäusern und Kliniken] aufgelaufen, und aktuell kommen jeden Monat 740 Millionen Euro dazu.“ Und weiter: „Die Krankenhäuser liegen im Schockraum der Notaufnahme, und viele Kliniken werden die politische Therapie des Abwartens nicht überleben“.

Dem niedersächsischen Ministerium liegen derzeit noch weitere Bewerbungen für eine Umstrukturierung vor, welche sich jedoch in der Begutachtung und Standortprüfung befinden. Das Ministerium rechnet mit drei bis sechs weiteren Standorten in den kommenden Jahren.

Gesundheitszentren stoßen in Niedersachsen auf breite Zustimmung

Sollen unrentable Krankenhäuser – vorwiegend im ländlichen Raum – in Regionale Gesundheitszentren umgewandelt werden? Die überwältigende Mehrheit der Menschen in Niedersachsen befürwortet die Idee. Neun von zehn Bürgern in Niedersachsen finden die Idee Regionaler Gesundheitszentren (RGZ) im Land gut oder sehr gut, dies teilte die Techniker Krankenkasse (TK) in Niedersachsen als Ergebnis einer Umfrage des Meinungsforschungs-Instituts Forsa mit.  (Lesen Sie auch: Sind kommunale MVZ Zuschussbetriebe?)

Regionale Versorgungszentren (RVZ) und Regionale Gesundheitszentren (RGZ): Ein Unterschied?

Mit den Regionalen Versorgungszentren (RVZ), ein niedersächsisches Modellprojekt seit 2020, dürfen die RGZ nicht verwechselt werden. Sie werden – anders als die RGZ durch das Gesundheitsministerium – durch das Niedersächsische Ministerium für Regionale Entwicklung gefördert. „Es handle sich um unterschiedliche Modelle“, erklärt Gabriele Dostal, Projektleiterin Versorgungssicherheit und -forschung. Ihr Team begleitete in den vergangenen knapp drei Jahren vier von fünf in Niedersachsen aufgebauten Regionalen Versorgungszentren (RVZ). Ein wesentlicher Teil des RVZ-Konzepts sei die Einbindung eines hausärztlichen Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) in kommunaler Trägerschaft. 

Die Regionalen Versorgungszentren (RVZ) sind Einrichtungen zur Stärkung der sozialen Daseinsvorsorge. Mithilfe der RVZ sollen Versorgungsleistungen gebündelt werden, um die ländlichen Räume Niedersachsens attraktiver und lebenswerter zu gestalten. Die RVZ sollen ein kombiniertes Angebot aus hausärztlicher Versorgung und weiteren je nach lokalem Bedarf ausgesuchte Angebote der Daseinsvorsorge bündeln. Ärztinnen und Ärzten sollen dabei Anstellungsmöglichkeiten mit flexiblen Arbeitszeiten eröffnet werden, um so die Hausarztversorgung zu stärken. Darüber hinaus sollen diese zentralen Anlaufstellen mit weiteren Angeboten ausgestattet werden. Das können beispielsweise Hebammendienste, Präventionskurse, Ergo-/ Physiotherapie, haushaltsnahe Dienstleistungen oder ein Café als Treffpunkt sein. Nach der erfolgreichen Modellphase stellt das Land Gelder für einen landesweiten Roll-out zur Verfügung. „Bundesweit betrachtet nimmt Niedersachsen immer mehr eine Vorreiter-Rolle in Bezug auf die Implementierung neuer Versorgungsstrukturen für eine flächendeckende ärztlich-medizinische Versorgung ein“, resümiert Gabriele Dostal. (Lesen Sie auch: Die ambulante medizinische Versorgung im Umbruch)