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Welche Sicherheitsleistungen müssen Kommunen bei der Gründung kommunaler Medizinischer Versorgungszentren abgeben?

Sicherheitsleistung kommunales MVZ

Auch Kommunen müssen als Träger kommunaler MVZ der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) gegenüber eine Sicherheitsleistung für mögliche Regresse abgeben. Die Art dieser Sicherheitsleistung ist von der gewählten Rechtsform abhängig. Im Fall der kommunalen Rechtsformen Regiebetrieb, Eigenbetrieb, Anstalt oder Körperschaft des öffentlichen Rechts ist hier keine formale Abgabe einer selbstschuldnerischen Bürgschaft oder andersgearteten Sicherheitsleistungen notwendig. Auch für ein kommunales MVZ in Form einer Genossenschaft ist dies nicht erforderlich. Allerdings darf dieser Gründungsvorteil nicht über die gerade bei Regie- und Eigenbetrieb massiven Nachteile im Geschäftsbetrieb hinwegtäuschen. (Lesen Sie auch: Hausärztemangel in Deutschland – Ein Blick in die Glaskugel)

Ein Blick auf die bestehenden kommunalen MVZ zeigt, dass die privatwirtschaftliche Rechtsform der (g)GmbH vor der AöR am beliebtesten ist. Die Gründung eines kommunalen MVZ in der Rechtsform einer GmbH hat für Kommunen neben vielen Vorteilen allerdings auch eine Gründungsschwäche. Die Kommune muss eine selbstschuldnerische Bürgschaft abgeben. Diese Hürde hat der Bundesgesetzgeber erkannt und daher im SGB V § 95 Absatz 2 Satz 6 formuliert: 

„Für die Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist außerdem Voraussetzung, dass die Gesellschafter entweder selbstschuldnerische Bürgschaftserklärungen oder andere Sicherheitsleistungen nach § 232 des Bürgerlichen Gesetzbuchs für Forderungen von Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen gegen das medizinische Versorgungszentrum aus dessen vertragsärztlicher Tätigkeit abgeben; dies gilt auch für Forderungen, die erst nach Auflösung des medizinischen Versorgungszentrums fällig werden.“

Kommunalrechtlich ist es den Kommunen nur mit Zustimmung der jeweiligen Rechtsaufsicht erlaubt, eine selbstschuldnerische Bürgschaft abzugeben. Da der Bundesgesetzgeber ausdrücklich eine Beteiligung der Kommunen bei der wohnortnahen, d.h. hausärztlichen Versorgung der Bevölkerung wünscht, hat er hier in Satz 6 die Inanspruchnahme einer anderen Sicherheitsleistung nach § 232 BGB eingefügt. § 232 BGB definiert gleichzeitig auch die „Arten“ der Sicherheitsleistung. Leider noch in der Ursprungsform aus dem Jahr 1941. Arten nach BGB § 232: 

(1) Wer Sicherheit zu leisten hat, kann dies bewirken durch Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren, durch Verpfändung von Forderungen, die in das Bundesschuldbuch oder in das Landesschuldbuch eines Landes eingetragen sind, durch Verpfändung beweglicher Sachen, durch Bestellung von Schiffshypotheken an Schiffen oder Schiffsbauwerken, die in einem deutschen Schiffsregister oder Schiffsbauregister eingetragen sind, durch Bestellung von Hypotheken an inländischen Grundstücken, durch Verpfändung von Forderungen, für die eine Hypothek an einem inländischen Grundstück besteht, oder durch Verpfändung von Grundschulden oder Rentenschulden an inländischen Grundstücken. (2) Kann die Sicherheit nicht in dieser Weise geleistet werden, so ist die Stellung eines tauglichen Bürgen zulässig.

Da gründungswillige Kommunen keine der benannten Sicherheitsleistungen hinterlegen können, ist der Rückgriff auf einen „tauglichen“ Bürgen, d.h. auf eine Bankbürgschaft in bestimmter Höhe notwendig.

Umsetzung bei der Abgabe einer Sicherheitsleistung nach §232 BGB

Die vom Gesetzgeber als Erleichterung für Kommunen vorgesehene Gesetzesanpassung stößt in der gelebten Praxis allerdings noch häufig auf Schwierigkeiten. Die zahlreichen, für die Zulassungsausschüsse agierenden Bezirksstellen der KVen haben sich bislang noch auf kein einheitliches Vorgehen geeinigt. Oftmals wird in einer ersten Aussage die Stellung einer Sicherheitsleistung nach §232 BGB abgelehnt. Formaler Hintergrund ist, dass zwar die Stellung eines tauglichen Bürgen im §232 BGB als zulässig benannt ist, dieser jedoch von der KV jeweils auch akzeptiert werden muss. Zwischenzeitlich existieren allerdings etliche Bezirksstellen/Zulassungsausschüsse, die nach rechtlicher Prüfung eine Bürgschaft nach §232 BGB akzeptierten. Die Vermittlung eines entsprechenden KV-internen Kontakts führt jeweils zur Akzeptanz einer entsprechenden Bürgschaft.

Bankbürgschaft als akzeptierte Sicherheitsleistung

Einheitlich wird dabei von den KVen und den kommunalen Gründern auf die Form einer Bankbürgschaft zurückgegriffen, allerdings mit unterschiedlichen „Deckelungen“. So benennt eine KV-Regionaldirektion in Bayern z.B. den fünffachen Umsatz eines hausärztlichen MVZ als abzugebende Bankbürgschaft. In Niedersachsen hat sich dagegen die Akzeptanz von zwei Jahresumsätzen pro Arztsitz bewährt. Erfahrungsgemäß ist bei Umgründungen bestehender Praxen eine Bankbürgschaft in dieser Höhe bei einer der lokalen/regionalen Banken kein Problem. Jüngste Entwicklungen deuten sogar darauf hin, dass die Höhe der geforderten Bürgschaft sinken wird. 

Aktuell wird diskutiert, ob nicht die gründende Kommune selbst diese gedeckelte Bürgschaft übernehmen kann. Muss die Sicherheitsleistung der Kommunen wirklich ungedeckelt sein, wenn die KVen die Höhe eines möglichen Risikos beziffern können? Und werden damit die kommunalen MVZ in Form einer (g)GmbH durch die Zahlung der Bereitstellungsgebühr in doch nennenswerter Höhe benachteiligt? Hier warten wir gespannt auf die Formulierungen in einem gerade erarbeiteten Referentenentwurf im zuständigen Bundesministerium und auf die anschließenden Diskussionen und Entscheidungen. Besonders interessant wird dabei sein, ob die KVen erstmals dazu gezwungen werden, Anzahl und Höhe der in der Vergangenheit angefallenen Regresse zu veröffentlichen.

Wie hoch ist das Risiko eines Regresses?

Einig sind sich alle Kassenärztlichen Vereinigungen, dass „durch die selbstschuldnerische Bürgschaft Forderungen der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen abgesichert werden sollen, die bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen auch noch nach Auflösung des MVZ geltend gemacht werden könnten. Dazu zählen unter anderem falsche und nicht plausible Abrechnungen, sachlich-rechnerische Berichtigungen aus sonstigem Schaden (§ 106 d SGB V) und aus Verordnungsfehlverhalten (unwirtschaftliche Verordnung, Überschreitung in der Durchschnittswerteprüfung) durch die im MVZ tätigen Ärzte sowie Regresse im Zusammenhang mit der falschen Verordnung von Sprechstundenbedarf. Hierbei handelt es sich um keine Besonderheiten für MVZ, sondern um Vorgaben, die für alle Arztpraxen gelten.“ (Lesen Sie auch: Sind kommunale MVZ Zuschussbetriebe?)

Die Bürgschaft erfasst thematisch also Honorarthemen gegenüber der KV und den Kassen, Behandlungsfehler sind keine Grundlage für Bürgschaftsfälle. Patienten, die der Auffassung sind durch einen Behandlungsfehler im MVZ Schäden erlitten zu haben, können nicht auf die Bürgschaft zugreifen. Solche Themen werden separat durch eine Berufshaftpflichtversicherung abgedeckt.

Die Gefahr aus der Bürgschaft im Umfang von sechs oder siebenstelligen Beträgen zu haften, besteht eigentlich nur bei nachgewiesener fortwährender Falschabrechnung (meist sogar in Form eines gewerbsmäßigen Betruges). Bei ordnungsgemäßer Führung eines MVZ durch einen kundigen und vorsichtigen ärztlichen Leiter ist dies kein realistisches Szenario. (Lesen Sie auch: Ärzte sehen überdurchschnittliche Qualität der Versorgung in MVZ)