Gesundheitskiosk
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Fachkräfte- und Ärztemangel: neuartige Versorgungsmodelle im Überblick

Primärversorgungszentren, PORT, Gesundheitskiosk

Effizientere Versorgungsstrukturen gegen den Mangel

Das Thema sektorübergreifende Versorgung ist ein Dauerbrenner. Bereits 2009 zitierten wir in unserem Handbuch „Gesundheitswirtschaft in Deutschland: Aufbruch ins Markenzeitalter“ Akteure aus dem Gesundheitswesen, die forderten „die Gesundheitsversorgung vom Menschen her zu denken“. Seit damals wurde und wird diskutiert, wie die Grenzen zwischen stationärem und ambulantem Sektor durchlässiger werden können. Das Ziel: Die Patienten sollen – möglichst ohne Unterbrechung – dort behandelt werden, wo sie mit ihrem Gesundheitsproblem am besten aufgehoben sind. Das sei nicht nur im Sinne der Kranken, sondern auch wirtschaftlich und ressourcenschonend. Doch bislang brachten alle Ansätze der klassischen Player im Gesundheitsmarkt (Gesetzliche Krankenversicherungen, Kassenärztliche Vereinigungen, Gemeinsamer Bundesausschuss) wie die Integrierte Versorgung (IV) oder die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV) nicht den ersehnten Umschwung. (Lesen Sie auch: Hausärztemangel – Prognose bis 2035)

Auf die demographische Entwicklung, die Migration und den zunehmenden Mangel an Ärzten und Psychologen, Pflegern, Therapeuten und weiteren Anbietern aus dem Sozial- und Gesundheitswesen reagierend, treten aktuell immer mehr Kommunen und Bundesländer als Akteure auch im Bereich der Gesundheitsversorgung auf. Dabei übernehmen sie z.B. durch kommunale MVZ nicht nur zunehmend Verantwortung für die klassische Gesundheitsversorgung ihrer Bürger, sondern erweitern dies im Sinne der ihnen obliegenden Daseinsvorsorge teilweise auch um den sozialen Bereich.

Regionales Versorgungszentrum

So fördert z.B. das Bundesland Niedersachsen über Modellprojekte den Aufbau von regionalen Versorgungszentren (RVZ). In den RVZ sollen Dienstleistungen zur Daseinsvorsorge an gut erreichbaren Orten im ländlichen Raum gebündelt werden. Die Basis der RVZ bildet ein kombiniertes Angebot aus hausärztlicher Versorgung über ein kommunales MVZ und unterschiedlichste Angebote aus dem Bereich der Daseinsvorsorge wie z.B. Tagespflege oder Beratungsangebote wie Pflege- und Suchtberatung oder Präventionskurse. Auch Hebammendienste, Ergo-, Logo- oder Physiotherapie, haushaltsnahe Dienstleistungen oder auch ein Café als Treffpunkt sind möglich. Multifunktionsräume können vom Sozial- oder Arbeitsamt, der Schuldnerberatung oder Anbietern von Deutschkursen genutzt werden. Die Zusammenstellung der Angebote bestimmen die regionalen Akteure vor Ort.

Primärversorgungszentren

Das Bundesland Baden-Württemberg konzentriert sich mit der Förderung von Primärversorgungszentren stärker auf das Thema ärztlich-medizinische Gesundheit. Es fördert Primärversorgungszentren als eine leicht zugängliche Anlaufstelle für alle Menschen mit gesundheitlichen Anliegen und Problemen. Auch sie sollen gut in die örtlichen – meist ländlichen Strukturen – eingebunden sein und umfassen neben Ärzten auch Fachkräfte aus vielen anderen Gesundheitsberufen. Das ermöglicht eine kontinuierliche Behandlung mit längeren Öffnungszeiten und vermeidet Wartezeiten und Doppeluntersuchungen. Durch die räumliche Nähe ergeben sich für die Leistungserbringer deutliche Arbeitserleichterungen und Vorteile, die auch den Patienten zugutekommen. 

Gesundheitskioske

Das erstmals in Hamburg als Quartiersversorgung in Großstädten und Metropolen implementierte Konzept des Gesundheitskiosks wählt eher einen niedrigschwelligen Ansatz. So erstellt z.B. eine kommunal angestellte Gemeindeschwester (Community Health Nurse) eine ausführliche Sozial- und Gesundheitsanamnese und dient als Lotse auf dem Weg durch die komplexen ärztlichen, gesundheitsbezogenen und sozialen Angebote. Wichtig hierbei ist gerade ein umfassendes sprachliches Angebot. Im Gesundheitskiosk agieren neben der Gemeindeschwestern Krankenkassen, das Gesundheitsamt, Stadtteilinstitutionen mit Sozialbezug und die Wohlfahrtsverbände. Die ärztliche Versorgung erfolgt nach wie vor durch Ärzte, Beratungen zu Prävention, Gesundheitsverhalten, Rehabilitation und Pflege erfolgt in den Gesundheitskiosken. Denkbar ist ein Einsatz von Gesundheitskiosken neben Großstädten und Metropolen durchaus auch in kleineren und mittelgroßen Städten mit nennenswerter Industrie. (Lesen Sie auch: Gesundheitskioske: Die beitragsfinanzierten „Tafeln“ des Gesundheitswesens?)

PORT-Modell

Unabhängig von kommunalen Förderungen fördert die Robert-Bosch-Stiftung im Rahmen des Programms „PORT – Patientenorientierte Zentren zur Primär- und Langzeitversorgung“ lokale Gesundheitszentren nach dem Vorbild von Kanada und Schweden. Die gemeindenahen Gesundheitszentren, bieten neben der Prävention und Sozialarbeit möglichst viele Angebote rund um das Gesundbleiben und Gesundwerden im gewohnten Lebensumfeld und eine konzentrierte ärztliche Versorgung. (Lesen Sie auch: Der Landrat von Darmstadt-Dieburg über die Gründung Medizinischer Versorgungszentren in kommunaler Trägerschaft sowie die Teilnahme am PORT-Modellprojekt)