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Planspiel der Kassenärztlichen Vereinigung simuliert Praxis- oder MVZ-Gründung

Planspiel MVZ Gründung

Neue KBV-Websites für Ärzte bieten auch viele Informationen für engagierte Kommunen 

Mitte Oktober 2020 machte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) auf ein neues Angebot für Jungärzte aufmerksam. Mit dem Planspiel „Praxisraum“ können seit Kurzem junge Mediziner „den Aufbau und die Organisation einer Arztpraxis virtuell ausprobieren“. Damit soll trotz der langen Ausbildung, den bestehenden massiven u.a. betriebswirtschaftlichen, manageriellen, organisatorischen und steuerlichen Wissensdefiziten und Berührungsängsten hinsichtlich einer Niederlassung begegnet werden. Studium und Weiterbildung finden nach wie vor beklagenswerterweise überwiegend im Krankenhausumfeld statt.

„Mit diesem modernen und neuartigen Format wollen wir Medizinstudierende, Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung oder in Anstellung an einer vertragsärztlichen Tätigkeit interessieren. Dazu werden Informationen und Bildungsinhalte auf spielerischem Wege vermittelt“, erläuterte der Vorstandsvorsitzende des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (Zi), Dr. Dominik von Stillfried, das Anliegen.

Planspiel simuliert Niederlassung

Die App ergänzt das breite Spektrum an Maßnahmen, mit denen KBV und KVen Studierende und junge Mediziner für die Niederlassung gewinnen wollen. Dazu gehören Förderprogramme bereits während des Studiums, Investitionskostenzuschüsse zum Praxisaufbau, Praxisaufbauförderung mit der Zusicherung von 75 Prozent des durchschnittlichen Honorarumsatzes der Facharztgruppe und vieles mehr. Kostenfreie Beratungsangebote und eine KBV-Website mit sämtlichen Informationen rund um die Niederlassung stehen ebenfalls zur Verfügung.

Über die Website www.praxisraum.de ist neben der App zum Planspiel ein Online-Auswertungsmodul zu finden, mit dem Spieler sich einen Überblick über die tatsächlichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der vertragsärztlichen Versorgung verschaffen können. Zudem gibt es einen Link zur KBV-Website www.lass-dich-nieder.de. Darüber hinaus wird auf die KV-Beratung verwiesen und es sind Links zu allen KVen gesetzt.

Die Inhalte des Planspiels „Praxisraum“ beruhen auf den Jahresberichten des Zi-Praxis-Panels von „Bestandsärzten“. Mittels des Planspiels können nunmehr junge Mediziner den Aufbau und die Organisation einer Arztpraxis virtuell ausprobieren. Die App wurde vom Zi in Kooperation mit den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) entwickelt. In der virtuellen Arztpraxis, die die Tätigkeit als niedergelassener Arzt realitätsnah abbilden soll, werden Daten genutzt, die das Zi in Bestandspraxen erhoben hat. Spielziel ist, eine erfolgreiche Praxis aufzubauen. 

Um es vorweg zu nehmen: Die nun vorgestellte „Handreichung“ für die Mediziner bietet auch für die Verantwortlichen in Kommunen wie Bürgermeister, Stadt- und Gemeinderäte aber auch Wirtschaftsförderer zahlreiche Hinweise und für die anstehenden Gespräche mit Jung-Ärzten Andock-Themen. Sie beantwortet nicht zuletzt die Frage „Mit wem habe ich da eigentlich zu tun?“ (Lesen Sie auch: Gründung kommunaler Medizinischer Gesundheitszentren – Interview)

Work-Life-Balance und Angestelltenpräferenz sind entscheidende Parameter 

Zurück zum Planspiel: Gestartet wird mit „einer Entscheidung zur Praxisgründung. Der Teilnehmer hat ein vorgegebenes Startbudget zur Verfügung und kann wählen, ob er eine Praxis übernehmen oder neu gründen möchte. Dazu gehört die Entscheidung, ob die Praxis in einer Stadt oder im ländlichen Raum liegen soll. Dann erscheint die erste Ansicht der 3D-modellierten Praxis mit Arztzimmer, Labor, Diagnostik, Therapie, Wartezimmer, Anmeldung. Wichtige Komponenten sind neben den Patienten, das Zeitmanagement und die quartalsweise Abrechnung.“ Danach folgen die drei „Werte“, welche den „Erfolg einer Praxis“ bestimmen: Qualität der Praxis, Work-Life-Balance und Einkommen. Hilfen im „Praxisraum“ werden von einer virtuellen Mentorin der KV vermittelt, die ihr Wissen an den Gründer weitergibt. Für die Entwicklung des Praxis-Planspiels wurde die Firma Serious Games Solutions ausgewählt, die in diesem Segment über langjährige Erfahrungen verfügt. Der Link www.praxisraum.de ist allgemein zugänglich und kostenfrei über Apples AppStore und Googles Playstore erhältlich.

Die aufgezeigten sechs Optionen für einen Arzt bei www.lass-dich-nieder.de lassen tief blicken. Da heißt es beispielsweise unter „Anstellung als Arzt“ unter den Stichwörtern „Sicheres Gehalt, keine Investitionen“: „Wenn du dich als Arzt niederlassen möchtest, musst du dich nicht unbedingt selbstständig machen: Du kannst dich auch in einer Praxis oder einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) anstellen lassen. Ein MVZ ist eine ärztlich geleitete Einrichtung, unter deren Dach oft Ärzte mit verschiedenen Facharzt- oder Schwerpunktbezeichnungen arbeiten. Aber auch arztgruppengleiche Zentren sind möglich, so dass dort beispielsweise nur Hausärzte oder nur Psychotherapeuten praktizieren. Typisch in der Anstellung: Ihr seid ein Team, teilt euch die Ressourcen und habt einen gemeinsamen Patientenstamm. Du musst keine finanziellen Investitionen stemmen, bekommst aber ein regelmäßiges Gehalt. Außerdem gelten für dich allgemeine gesetzliche Regelungen zum Beispiel zu Mutterschutz, Elternzeit oder Elterngeld.“

Interessant sind auch die Hinweise zum Starten einer Praxis unter „Berufsalltag“ (!) und dem Stichwort „Das perfekte Starterpaket“: „Was aber, wenn du direkt bei null anfängst und neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suchen musst? Bevor es an Inserate und Vorstellungsgespräche geht, solltest du erstmal wissen, wie viele Mitarbeiter du brauchst und was sie vor allem können sollen. Das hängt nämlich davon ab, was genau du machen und welche Aufgaben du delegieren willst. […] Möglichkeiten gibt es viele: Willst du nur wenig mit der Praxisorganisation zu tun haben, sind Praxismanagerinnen oder -manager sinnvoll. Willst du kleine Aufgaben delegieren, kannst du speziell weitergebildete Medizinische Fachangestellte (MFA) einstellen, die zum Beispiel Blut abnehmen. Oder willst du die Vorbereitung zum Röntgen nicht selbst erledigen, können dies Medizinisch-Technische Angestellte übernehmen. ‚Am wichtigsten ist aber eine MFA, die besonders fit in der KV-Abrechnung ist und sich schon mit den Abläufen in einer Praxis auskennt’, so Gero Sicheneder (von der KV Hessen, Anm.). ‚Denn mit einer guten rechten Hand können sich die neuen Niedergelassenen am besten auf ihre Medizin konzentrieren.’ Zur guten rechten Hand hast du dann im Idealfall noch eine linke – denn sollte dein Mitarbeiter oder deine Mitarbeiterin krank werden oder in Urlaub gehen, könnte das die Abläufe in deiner Praxis gefährden. Zusätzliche Hilfe bekommst du zum Beispiel mit einer Teilzeitkraft. Wenn du weißt, welche und wie viele helfende Hände du für deine Praxis brauchst, kann die aktive Suche losgehen. Du kannst zum Beispiel Inserate in klassischen Jobbörsen im Internet oder in der Zeitung schalten. Bist du auf der Suche nach angestellten Ärzten oder Ärztinnen, kannst du auch die Praxisbörse deiner KV nutzen. Besonders wertvoll ist es aber, wenn du bei der Suche auf deine Kontakte zurückgreifen kannst.“ (Lesen Sie auch: Zukunftsfeld „Kommunale Medizinische Versorgungszentren“)

Fazit

Die neuen Angebote für Jungärzte machen deutlich, wo die Kassenärztliche Bundesvereinigung vor dem Hintergrund der Zi-Erfahrungen Informationslücken vermutet. Ob das reicht auch unternehmerische Verantwortung als junger Mediziner übernehmen zu können und (andere) Jungärzte anzustellen, bleibt eher unklar. Dagegen können bei genauerer Betrachtung auch Kommunen mit Interesse z.B. an der Gründung eines kommunalen Medizinischen Versorgungszentrums (kMVZ) als ebensolcher „Einsteiger“ mithalten und mit Jung- und Nachrücker-Ärzten auch auf Augenhöhe kommunizieren. Fakt ist aber: Es gibt eine Chance für die Kommunen, die entschlossen sind z.B. die Gründung von privaten Mehrbehandlerpraxen konkret zu „unterstützen“ oder ein kommunales MVZ „aufziehen“ wollen. – Das „Alles“ ist kein „Hexenwerk“. (Lesen Sie auch: Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigung wiegt in falscher Sicherheit)

Weitere informative Beiträge zu den Themen moderne medizinische Versorgung und Bewältigung des Ärztemangels finden Sie in unserem Magazin Impulse