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Blick zurück: Ärzteschwemme damals, Ärztemangel heute

Von etwa 1982 bis 2002 erlebten die Mediziner in Deutschland rund 20 Jahre lang eine ungünstige Arbeitsmarktsituation. In den 1980er Jahren, als in Deutschland vor einer zunehmenden Zahl von approbierten Medizinern gegenüber einer nicht angemessenen Anzahl von zu besetzenden Stellen im medizinischen Bereich gewarnt wurde, tauchte auch der Begriff der Ärzteschwemme auf. Heute, 30 Jahre danach absehbar und zu erwarten, die Schwemme der Praxisabgeber-Ärzte (Stichwort Praxis-Abgeber).

Ausgebildeten Medizinern drohte ab Anfang der 1980er Jahre die Arbeitslosigkeit, als erstmals die Zahl der Bewerber diejenige der offenen Stellen überstieg. Eine Folge war unter anderem die 1988 beschlossene Einführung der 18-monatigen Phase des Arztes im Praktikum (AiP), die einen Arzt finanziell schlechter stellte als das übrige qualifizierte Krankenhauspersonal mit einigen Berufsjahren. Dies wurde übrigens 2004 wieder abgeschafft. Im Jahre 1997 erreichte die Arbeitslosigkeit der Mediziner ihren Höhepunkt: Die Bundesanstalt für Arbeit meldete 10.594 arbeitslos gemeldete Ärztinnen und Ärzte.

Allein in den 15 Monaten von September 1995 bis Januar 1997 stieg die ärztliche Arbeitslosigkeit um 2.905 oder 37,8 Prozent. Auch die Zahl der langzeitarbeitslosen Ärzte hatte seit 1994 deutlich zugenommen: Sowohl bei Ärzten ohne Gebietsbezeichnung als auch bei denen mit abgeschlossener Weiterbildung. Selbst eine abgeschlossene Weiterbildung war nicht mehr automatisch eine Beschäftigungsgarantie, wie die steigende Zahl der langzeitarbeitslosen Fachärzte zeigte. Eine weitere traurige Wahrheit war, dass Ärztinnen stärker von Arbeitslosigkeit betroffen waren als ihre männlichen Kollegen.

Das Deutsche Ärzteblatt (Ärztliche Arbeitslosigkeit: Vom Fremdwort zum Langzeitproblem, 16.1.1998) kommentierte: „Die Arbeitslosigkeit bedroht Ärzte wie nie zuvor. Der erfolgreiche Abschluss eines Medizinstudiums war immer gleichbedeutend mit einer lebenslangen Tätigkeitsgarantie in einem gesellschaftlich hochangesehenen Beruf. Diese Zeit der Tätigkeitsgarantie ist jetzt zu Ende. War in der Vergangenheit ärztliche Arbeitslosigkeit lediglich auf die Übergänge von der Arzt-im-Praktikum(AiP-)Phase zur Weiterbildung und von der abgeschlossenen Weiterbildung in die Facharztstelle beschränkt, so sind diese Zeiten vorbei.“

Vom Mangel zur Schwemme: Immer diese Schweinezyklen

Diese Situation war damals relativ neu. Derweil bildete Deutschland in jenen Jahren absolut gezählt mit rund 10.000 Medizinern pro Jahr nach den USA weltweit die zweitmeisten Ärzte, und relativ gezählt mit rund 12 Absolventen pro 100.000 Einwohner doppelt so viele Ärzte wie in den USA aus. – Und danach? Wohl zu wenig, wie aktuellen Vorschläge in allen Bundesländern zur Behebung des Ärztemangels in den 2010er zeigen.

Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, hat jüngst die Politik angesichts eines dramatischen Ärztemangels zum Gegensteuern aufgerufen. „Derzeit fehlen in Praxen und Krankenhäusern schon insgesamt 10.000 Ärzte in Deutschland. Das entspricht einem kompletten Studienjahrgang“, sagte Gassen der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ vom Samstag. Der Ärztemangel werde bereits in den kommenden zwei bis fünf Jahren spürbar werden. (DIE ZEIT vom 21. Juli 2018)

Doch ist die nächste Ärzteschwemme bereits vorbestimmt. Als Reaktion auf den derzeitigen Mangel an Allgemeinmedizinern wird der Ausbau der Medizinstudienplätze von politischer Seite her massiv vorangetrieben. Der Auf- und Ausbau dieser Fakultäten wird erfahrungsgemäß einige Jahre in Anspruch nehmen. Bis letztendlich die ersten zusätzlichen Absolventen als vollausgebildete Mediziner den Arbeitsmarkt erreichen, sprechen wir von den Jahren ab 2030. Doch was wird in der Zwischenzeit geschehen? Der Markt wird sich angepasst haben, moderne und effizientere Strukturen werden deutlich an Zahl zugenommen haben. Die meisten der nicht zukunftstauglichen Einzelpraxen auf dem Lande werden bereits geschlossen worden oder in größeren Einheiten aufgegangen sein (Stichwort: Was suchen junge Nachwuchs-Ärzte?). Der zusätzliche Medizinernachwuchs wird wie in den Jahren 1982 bis 2002 einer veränderten Arbeitsmarktsituation gegenüberstehen.

Diese politische Planung und Steuerung der personellen Ressourcen kommt einem irgendwie bekannt vor und ähnelt auch dem akuten Lehrermangel. Derweil ist das Phänomen unter dem Begriff „Schweinezyklus“ seit den 1920er Jahren längst bekannt.

Hier geht es zur Publikation: Wie ist dem Ärztemangel auf dem Lande zu begegnen?