Im Freistaat Sachsen wird die vertragsärztliche Versorgung von derzeit 6.133 Ärzten und 1.103 Psychotherapeuten sichergestellt (Stand 01.04.2021, in Vollbeschäftigungseinheiten). Gemessen an den bedarfsplanungsrelevanten Anteilen der Ärzte und Psychotherapeuten ergibt sich die in Abb. 1 dargestellte Verteilung zwischen den Versorgungsbereichen. Ärztliche Psychotherapeuten werden der psychotherapeutischen Versorgung zugeordnet.
Mehr als 72 % der Leistungserbringer sind in einer eigenen Niederlassung und knapp 20% als angestellte Ärzte bzw. Psychotherapeuten tätig. Weitere 8 % nehmen als Ermächtigte an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Bei den sog. Ermächtigten handelt es sich um Ärzte in Krankenhäusern (stationär), welche über eine gesonderte Ermächtigung der KV verfügen auch ambulante Leistungen anzubieten, jedoch abgetrennt von ihrer jeweiligen Tätigkeit im Krankenhaus.
Bei der Datenanalyse ist zu beobachten, dass der Anteil der niedergelassenen Ärzte bzw. Psychotherapeuten zugunsten von angestellten Ärzten bzw. Psychotherapeuten weiter gesunken ist. So arbeiten im Vergleich zu 2016 etwa 6 % mehr Ärzte bzw. Psychotherapeuten als angestellte Leistungserbringer. (Lesen Sie auch: Hausärztemangel in Nordrhein-Westfalen)
Bei der Niederlassung dominiert in Sachsen die Einzelpraxis. Von den 5.586 vertragsärztlichen Einrichtungen werden 83 % als Einzelpraxis und 9 % als Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) geführt. Dabei können in den Einzelpraxen auch angestellte Ärzte tätig sein. Der übrige Anteil beinhaltet Medizinische Versorgungszentren (MVZ) und sonstige Einrichtungen (Ermächtigte Institute bzw. Einrichtungen).
Ergänzt wird das Versorgungsnetz durch 547 Zweigpraxen, denen insbesondere in ländlichen Räumen eine hohe Bedeutung bei der Sicherstellung der wohnortnahen Versorgung zukommt.
In den Arztgruppen der allgemeinen und spezialisierten fachärztlichen Versorgung bestehen erhebliche regionale Disparitäten innerhalb Sachsens. Versorgungsdefizite treten neben der Allgemeinmedizin derzeit vorwiegend bei den Arztgruppen der Augen- und Hautärzte auf. Aber auch in anderen Fachgebieten gibt es lokal Engpässe, beispielsweise bei den Nerven-, Kinder- und HNO-Ärzten sowie bei den Urologen und Kinder- und Jugendpsychiatern.
Zum Arztstand 01.04.2021 waren von den 365 Augenärzten (Anzahl Köpfe) mehr als 20 % 60 Jahre und älter, gut 7 % waren sogar 65 Jahre und älter. Diesen prognostizierten Versorgungsproblemen stehen im Durchschnitt pro Jahr nur wenige Fachgebietsabschlüsse in der Augenheilkunde bei der Sächsischen Landesärztekammer gegenüber. So waren es beispielsweise 2019 lediglich 16 neue Augenärzte. Zu berücksichtigen ist dabei, dass viele Ärzte nach Abschluss ihrer Facharztweiterbildung eine Stelle im Krankenhaus annehmen und nur ein Teil im vertragsärztlichen Bereich tätig wird.
Auch bei der Arztgruppe der Nervenärzte ist die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung zunehmend erschwert. Zum 01.04.2021 waren 356 Nervenärzte (Anzahl Köpfe) in Sachsen vertragsärztlich tätig, von denen 22 % 60 Jahre und älter sind, knapp 11 % waren sogar 65 Jahre und älter.
Stimmt die Relation von Ärzten und Patienten in einer Region mit der gesetzlichen Vorgabe überein, so beträgt der Versorgungsgrad genau 110 Prozent. Unter einem Versorgungsgrad von 75 Prozent (hausärztliche Versorgung) bzw. 50 Prozent (fachärztliche Versorgung inkl. Psychotherapie) besteht i.d.R. eine Unterversorgung. Eine Überversorgung wird im Allgemeinen ab einem Versorgungsgrad von 110 Prozent ausgewiesen. Der Planungsbereich wird dann für Neuzulassungen gesperrt.
Planungsbereiche für die Arztgruppe der Allgemeinmediziner/Hausärzte sind die 48 Mittelbereiche nach der Zuordnung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Diese wurden im Nachfolgenden aufgelistet und entsprechend ihres derzeitigen hausärztlichen Versorgungsgrades eingeteilt. Die Einteilung erfolgte auf o.g. Parametern, wobei gilt:
Die Höhe der Behandlungsfälle je Arzt spiegelt die (Über-)Belastung der noch praktizierenden Hausärztinnen und Hausärzte im jeweiligen Planungsbereich wider.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass mit Stand 30.06.2022
Die derzeitige hausärztliche Versorgungssituation im Freistaat Sachsen gehört basierend auf den o.g. Versorgungsdaten zum unteren Drittel im Bundesgebiet. Die, wenn auch in geringerem Umfange als früher, noch stattfindende Abwanderung v.a. junger Menschen, wirkt darüber hinaus als Katalysator für den ohnehin bestehenden Mangel an Nachwuchsmedizinern. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die vorhandene Datenbasis bereits 18 Monate alt ist und sich in diesem Zeitraum wohl noch weitere Hausärztinnen und Hausärzte aus dem Berufsleben zurückgezogen haben. Mit Spannung kann man daher den Versorgungsbericht im kommenden Sommer 2024 erwarten. Schätzungsweise dürften Stand November 2023 wohl eher mind. 500 Hausarztsitze unbesetzt sein. (Lesen Sie auch: Ärztemangel in Brandenburg)
Der beschleunigte Alterungsprozess der sächsischen Bevölkerung ist vor dem Hintergrund des Wegfalls einer bedarfsgerechten ärztlichen Versorgung in der Fläche ein weiterer Katalysator für den Ärztemangel. Das Durchschnittsalter stieg seit 1990 um über 7 Jahre von 39,4 auf aktuell 46,9 Jahre an und liegt damit um mehr als 2 Jahre über dem Bundesdurchschnitt. Es bestehen erhebliche regionale Unterschiede zwischen Städten und ländlichen Gebieten. Während in den Städten Leipzig und Dresden das Durchschnittsalter bei 43 Jahren liegt, verzeichnet der Vogtlandkreis mit über 49,7 Jahren sachsenweit das höchste Durchschnittsalter.
Der Anteil der Bevölkerung im Alter von 65 und mehr Jahren erhöhte sich im Zeitraum von 1990-2019 sachsenweit von 16 % auf 26,5 %. Wie bereits die regionalen Unterschiede hin- sichtlich des Durchschnittsalters erkennen lassen, ist in den ländlichen Regionen ein höherer Anteil an Einwohnern dieser Altersgruppe zu verzeichnen als in den Städten Dresden und Leipzig. So liegt der Anteil an älteren Menschen im Vogtlandkreis, Görlitz und im Erzgebirgskreis bei mehr als 30 %. Prognosen zufolge wird dieser Anteil bis 2030 weiter steigen und voraussichtlich diesen Wert von rund 30 % in ganz Sachsen erreichen.
Sowohl die Zunahme des Anteils an älteren Menschen als auch der Anstieg des individuellen Krankheitsrisikos mit zunehmendem Lebensalter führen zu einem häufigeren Auftreten altersbedingter chronischer Krankheiten und einem daraus resultierenden höheren Versorgungsbedarf insbesondere im ländlichen Raum, wo diese Phänomene stärker ausgeprägt sind.
Im Gegensatz z.B. zur KV Bayern, wird das Durchschnittsalter der Hausärzte je Planungsbereich durch die KVNO nicht ausgewiesen. Vor allem aus letzterer Kennzahl wäre eine fundiertere Prognostizierung der weiteren Entwicklung der Versorgungssituation je Planungsbereich möglich. Als Beispiel sei hier die Stadt Köln erwähnt. So weist der dazugehörige hausärztliche Planungsbereich Köln einen Versorgungsgrad von 109,00 Prozent (Regelversorgung, nahe Vollversorgung) aus. Aktuellen Zeitungsberichten der Jahre 2022/23 ist jedoch zu entnehmen, dass z.B. in Köln-Nippes das Durchschnittsalter bei den Hausärzte bei 56 Jahren liegt, knapp 40 % wären 60 Jahre oder älter. Die ausgewiesene Regelversorgung für die Stadt Köln von 109,00 Prozent täuscht demnach über die baldigen Herausforderungen – zumindest in einigen Quartieren – hinweg. Gibt es nur geringe bis keine privatwirtschaftlichen oder kommunalen Initiativen, um die o.g. Transformation der Praxislandschaft anzustoßen, dürfte selbst ein derzeit (statistisch) gut versorgter Planungsbereich wie Köln aufgrund der Nachbesetzungsproblematik bis 2030/35 mit hoher Wahrscheinlichkeit nurmehr einen Versorgungsgrad von schätzungsweise 80 Prozent aufweisen (drohend unterversorgt).
Zuletzt wurden 2020 zusätzliche Maßnahmen verabschiedet, die einerseits den Weg in die vertragsärztliche Versorgung ebnen sollen und andererseits den Beitrag der bestehenden Praxen anerkennen. Zu diesem Portfolio gehören u.a.:
„{…} Leider schreitet auch der Ärztemangel in der ambulanten Versorgung ungebremst voran. Das Interesse an der Niederlassung sinkt. Arztpraxen bleiben ohne Nachfolge, wovon besonders die hausärztliche Versorgung betroffen ist“, so Dr. med. Klaus Heckemann, Vorstand der KV Sachsen. Der schon heute herrschende Ärztemangel wird sich noch weiter verschärfen. Ein Drittel der Vertragsärzte ist 60 Jahre oder älter und wird in absehbarer Zeit in den Ruhestand gehen. Zwar steigen die Arztzahlen nach Köpfen jährlich, doch gibt es real kein Wachstum. Der Grund: der Teilnahmeumfang an der Versorgung nimmt ab. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der in Teilzeit tätigen Ärzte massiv gestiegen. Auch der Trend zur Anstellung hält weiter an. Die Konsequenz ist das Absinken der insgesamt für die Behandlung der Patienten zur Verfügung stehende Arztzeit, längere Wartezeiten und längere Wege zu den Praxen. Aufgrund der alternden Gesellschaft und mehr multimorbiden Patienten wird der Bedarf an ärztlichen Leistungen hingegen stark zunehmen, eine altersgerechte ärztliche Versorgung ist unter diesen Umständen fraglich.“
Im direkten Vergleich zu anderen Bundesländern sind kommunale Initiativen zur Bewältigung des heraufziehenden Ärztemangels im Freistaat Sachsen noch spärlich vorhanden. Erste Vorstöße in diese Richtung können jedoch aktuell beobachtet werden – sicherlich verstärkt durch die Erfahrungen während der Pandemie. Wenngleich es im Freistaat Sachsen auch im kommenden Jahr 2024 voraussichtlich kein MVZ in kommunaler Trägerschaft geben wird. Kommunale Initiativen sind vor dem oben geschilderten Hintergrund jedoch unausweichlich. (Lesen Sie auch: Hausärztemangel in Deutschland – Ein Blick in die Glaskugel)
Quelle: Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen vom 30.06.2022